Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 34 (34)

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der typischen Interessenlage einer hestimmten Gesetzesvorschrift, 
eben der des Obersatzes. Alsdann kommt es zur Schlußfolgerung: 
für A gilt F, und wiederum liegt darin eine von einem Werturteil 
geleitete *, durch eine Willensentschließung vollzogene richter- 
liche Interessenwägung, diesmal nicht in abstracto, wie bei der 
Auslegung des Gesetzes zwecks Bildung des Obersatzes, sondern 
in concreto, im Hinblick auf den gegebenen Prozeßtatbestand, den 
Interessenkonflikt der Parteien. Heck trifft daher den Kern der 
Sache, wenn er die bürgerliche Rechtsprechung und die dazu er- 
forderliche Gesetzesauslegung als „Interessenjurisprudenz® be- 
zeichnet. 
Diese Interessenjurisprudenz zerfällt nun, auf ihre Wissen- 
schaftlichkeit hin geprüft, in zwei verschiedenartige Geistestätig- 
keiten, nämlich ene vorbereitende soziologische 
Tatsachenerforschung. die ein Akt empirischer Erkennt- 
nis ist, und zwei anschließende richterliche Interessenwägungen, 
die, weil auf Werturteil und Willensentschließung aufgebaut, mit 
wissenschaftlicher Erkenntnis unmittelbar nichts zu tun haben, 
vielmehr ein Akt der richterlichen Kunst sind. Jene vorbereitende 
Tatsachenforschung setzt ein, nachdem der Prozeßtatbestand mit 
seiner konkreten Interessenlage ermittelt und in vorläufiger Orien- 
tierung eine Gesetzesvorschrift ausfindig gemacht ist, deren Tatbestand 
sich prima facie, d. h. grammatisch, systemlogisch, entstehungs- 
geschichtlich in vorläufigem Ueberblick betrachtet, mit dem kon- 
kreten Tatbestand des Prozeßfalles deckt. Aufgabe jener sozio- 
logischen Tatsachenforschung ist es alsdann, wenn möglich, zu 
ermitteln: 1. die geschichtlich feststellbare Vorstellung des 
sog. Gesetzgebers von der sozialen Interessenlage jener 
Gesetzesvorschrift, seine Zweckvorstellung und das Wert- 
’ Daß die Notwendigkeit eines Werturteils eine gesteigerte ist, wenn 
der gesetzliche Tatbestand seinerseits auf ein Werturteil des Richters die 
Tatfrage abstellt, z. B. darauf, ob „grober Undank“ des Beschenkten vor- 
liegt, braucht als bekannt hier nicht weiter erörtert zu werden. 
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXIV. 3/4. 28
	        
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