In beiden Reichen sind zurzeit, um auf ein besonders wich-
tiges gemeinsames Gesetzgebungsinteresse hinzuweisen, die Vor-
arbeiten für die Reform des Strafrechts in vollem Gange. Da
liegt es wahrlich nahe, Uebereinstimmung in der Sache, wie in der
Form anzustreben, soweit nicht Rechtsverschiedenheiten außerhalb
des Strafrechts oder nationale Besonderheiten entgegenstehen.
Die Schwierigkeiten der Aufgabe dürften materiell kaum größer
sein, als sie es waren bei Herstellung eines gemeinsamen Straf-
gesetzbuchs für den Norddeutschen Bund, das Reich und sicher
geringer als die Mühen, die angesichts der bunten Mannigfaltig-
keit des früheren deutschen Zivilrechts von den Verfassern des
deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs überwunden worden sind. Frei-
lieh wird die Arbeit formell durch die Mehrheit der Gesetzgebungs-
akte erheblich erschwert. Entwürfe von der gemeinsamen Ge-
setzgebungs-Kommission, soweit angängig, übereinstimmend ge-
fertigt, würden der Beschlußfassung der beiderseitigen Parlamente
unterliegen, wobei die Einheitlichkeit wieder verloren gehen könnte.
Indessen, durch fortgesetzte Verständigungen zwischen den parla-
mentarischen Kommissionen beider Reiche wird doch in allen
Hauptpunkten die Gemeinsamkeit zu erhalten sein, vorausgesetzt,
daß man bei den entscheidenden Plenarberatungen auf Aenderun-
gen möglichst ganz verzichtet, was in der Tat:nach allen gemachten
Erfahrungen bei großen, kodifizierenden Gesetzgebungswerken nur
dringend zu empfehlen ist. Für die beiden Parlamente des Nach-
barlandes, den österreichischen Reichsrat und den ungarischen
Reichstag, bedeutet ohnehin eine identische Gesetzgebung (in ge-
meinsamen Angelegenheiten) nichts Neues. Immerhin wird bereit-
willig zugegeben, daß mit dem Streben nach Gemeinsamkeit die
Mühen: der Gesetzgebungsarbeit sich steigern. Aber der Wert
des Zieles rechtfertigt die größere Anstrengung. Und ebenso den
größeren Zeitaufwand. Verzögerung der Rechtsreform um ein,
mehrere Jahre hat nichts zu bedeuten gegenüber dem Gewinn der
Rechtsgleichheit.