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mittleren Städten des Deutschen Reiches des Ortsbriefverkehrs und der Be-
förderung von offenen Briefsendungen (offene Briefe, Postkarten, Druck-
sachen außer den politischen Zeitungen, Warenproben) bemächtigten. Dar-
aus erwuchsen mannigfache Uebelstände. So ergaben sich Briefverluste in
großem Maßstabe sowie gröbliche Verletzungen des Briefgeheimnisses.
Dazu kam als ausschlaggebende Erscheinung eine Beeinträchtigung der
Verkehrsinteressen der Allgemeinheit. Im Gegensatz zur Staatspost, deren
Pflichten als öffentlicher Verkehrsanstalt sich allen Bevölkerungskreisen und
allen, auch den verkehrsschwachen Landesteilen gegenüber als möglichst
gleichheitliche Notwendigkeiten erwiesen, auch wenn die Einnahmen hinter
den Betriebskosten erheblich zurückblieben, nützten jene privaten Unter-
nehmungen den Verkehr lediglich an größeren Orten aus, wo er sich für
ein Beförderungsunternehmen genannter Art als gewinnbringend erwies.
Sie bereiteten so der Staatspost zum Schaden der Gesamtheit einen emp-
findlichen Wettbewerb, da sie an den von ihnen zum Betrieb gewählten
ergiebigen Plätzen ohne größeres Anlagekapital mit geringeren Geschäfts-
unkosten als die Staatspost und damit auch zu billigeren Tarifen als die
Staatspost arbeiten konnten. Es erwuchs der Staatspost aus diesen Privat-
anstalten ein Wettbewerb, der ihr die Erfüllung ihrer Aufgaben bedeutend
erschwerte, Im Falle eines Fortbestehens dieser Verhältnisse war zu be-
fürchten, daß die Staatspostverwaltung bald außer Stand gesetzt werden
würde, für die, kleineren Orte und die unlohnenden, verkehrsschwachen Ge-
genden neue Verkehrserleichterungen und Verkehrsbegünstigungen eintreten
zu lassen. So erschien es als ein Gebot der Notwendigkeit und der Er-
haltung des im Postbetriebe liegenden Staatszweckes, entsprechende Schutz-
vorschriften zu schaffen, die es der Staatspost ermöglichten, an großen und
verkehrsreichen Plätzen Ueberschüsse an Betriebseinnahmen zu erzielen,
die zur Deckung und Unterhaltung für andere unlohnende und verlust-
bringende Einrichtungen verwendet werden konnten und mußten; vgl. die
eingehenden Darstellungen bei DAMBACH-VON GRIMM a. a. O. S. XVIIL ff.,
ASCHENBORN, Erl. z. RPostG., S. 23 £.
Wenn diese Vorgänge und Verhältnisse auch bereits geraume Zeit zu-
rückliegen, so gewinnen sie dennoch im gegenwärtigen Zeitpunkt wieder
erhebliche Bedeutung; denn sie rücken die Aufgabe der Staatspost als eine
öffentliche Wohlfahrtsanstalt für alle Teile des Landes ins richtige Licht
und widerlegen so die Auffassung der Postanstalt als gewinnerstrebenden