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Literatur.
Dr. Rudolf Sohm, Die litis contestatio in ihrer Entwick-
lung vom frühen Mittelalter bis zur Gegenwart.
Duncker & Humblot, München und Leipzig 1914. XVIII u. 238 S.
Unsere Wissenschaft ehrt unter den jüngsten ihrer Verkünder und
Führer schon manchen Helden, der für das Vaterland gefallen ist. Ihr An-
denken fordert von den Zurückgebliebenen erhöhte Arbeitsleistung, engern
Zusammenschluß der geistigen Gemeinde, aus deren Reihen sie den übrigen
vorangegangen sind. Aber wenn eine Einzelklage heute erlaubt wäre,
dann dürfte sie wohl von denen kommen, die das Prozeßrecht in seiner
Geschichte zum engern Arbeitsgebiete haben. Denn hier sind, kurz nach-
einander, im Ringen um den gleichen Preis flandrischen Bodens die beiden
Jungen Rechtslehrer gefallen, auf denen unsere Zukunftsicherheit ruhte,
ECKARD MEISTER und RUDOLF SOHM. Sie haben auch die Tapferkeit, die
gute sichere deutsche Art gemeinsam gehabt. Bei beiden zeigen uns die
nachgelassenen unvollendeten Arbeiten und Entwürfe, daß ihnen der Dienst
der Wissenschaft ernste Selbstprüfung bedeutete, daß sie nicht auf den
Erfolg ihrer eigenen Ansichten bedacht, sondern dem Gegenstand in wahrer
Gelehrtenbescheidenheit hingegeben waren; aber sie waren auch beide
ganz frei von Zweifelsucht und von der Lust des Besserwissers an zerstö-
render Kritik. Die allen ihren Freunden in tröstlicher Erinnerung bleibende
Frische, Geradheit und Zuversicht ihres menschlichen Wesens ist auch in
ihrem wissenschaftlichen Werk überall zu finden.
In der Entwicklung der litis contestatio hatte SOHM sich einen Gegen-
stand gewählt, auf den ein anders veranlagter Gelehrter auch aus reiner
Freude am Problematischen hätte kommen können. Ist selbst die Ge-
samterscheinung der Rezeption und die ihr vorangegangene Zeit der Ver-
dunkelung des römischen Rechts dem Historiker nur im heftigsten Wider-
streit der Meinungen erkennbar, so bietet gar die Geschichte eines einzelnen
Rechtsvorgangs, wie der Streitbefestigung, so viel Irrungen und Mißver-
ständnisse, die den geraden und vernünftigen Lauf der Entwicklung störend