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mutung gelungen zu sein, daß die richterlich genehmigte Zustellung der
Klagschrift als litis contestatio gilt. Daß diese Auffassung der Summa
auf Kaiserrecht des 4. und beginnenden 5. Jahrhunderts ruhe — dem das
Zeno-Justinianische Recht dann erst durch Verlegung der litis contestatio
in die mündliche Verhandlung entgegengetreten wäre, das bleibt Vermu-
tung. SOHM nimmt es an. Er spricht hier von einer versteinerten nach-
klassischen litis contestatio, die in der Summa und fortan im gemeinen
Prozeß in Geltung gewesen sei („die S. Perusina versteht unter litis con-
testatio darum die Zustellung der Klagschrift, weil die Zustellung ein-
mal den Augenblick der (nachklassischen) litis contestatio bestimmt hatte,
und weil nach dem Untergange des Fiktionsgedankens der Name litis
contestatio an dem äußeren Vorgang der Klagzustellung haften geblieben
war“, S. 106/7). Ich meine, das läßt sich desbalb nicht mit Sicherheit er-
kennen, weil ja, wenn die litis contestatio einmal äußerer Vorgang, s0-
lenne Streitbefestigung — und nicht Vertrag oder Vertragsfiktion — war,
der Zeitpunkt der Klagerhebung für ein verhältnismäßig unentwickeltes
Prozeßrecht sich ganz von selbst, auch ohne Vorbild, darbieten mußte;
erst wenn sich dann die Differenzierung zwischen den Arten der Einlassung
des Beklagten und dadurch die Verbindung der streitigen Einlassung mit
der Streitbefestigung einstellt, wird der äußere Vorgang, der als litis con-
testatio gilt, weiter in den Prozeß hineingerückt. In diesem Zusammen-
hang sind die Hinweise SoHMs auf Urkunden des 9. und 10. Jahrhunderts
aus der Romagna (S. 126 fg.) von größtem Wert; hier ist ihm eine von
den glücklichen Entdeckungen gelungen, die in der Geschichtsforschung
nicht geringer eingeschätzt werden sollten als ihre äußerlicheren, sinnfäl-
ligeren Gegenstücke in der Erdkunde. — In Einzelheiten wird auch diese
Arbeit der stets erneuten Prüfung unserer gewissenhaftesten Wissenschaft
nicht standhalten; ihr Verfasser selbst hat jede sachliche Berichtigung mit
wirklicher Freude als einen Gewinn für die Erkenntnis der Wahrheit und
damit als einen persönlichen Gewinn aufgenommen. (Wenn ich ein Beispiel
einer meines Erachtens nicht haltbaren Auslegung geben soll, so wäre es
die Stelle aus den Statuten von Nizza, S.206 Anm. 19, wo ich mit RICHARD
SCHMIDT tenebo als „ich werde dafür halten“ verstehe; die Auslegung
SOHMs schiene mir für tenebo lıtis contestationem, nicht aber für tenebo
litem contestatam richtig.) Aber als Ganzes ist dieses Erstlingswerk ein
bleibendes Denkmal echter deutscher Wissenschaftlichkeit, ein Zeugnis jener
sieghaften Kräfte im Volk, gegen die auch der Tod keine Macht hat.
A. Mendelssohn Bartholdy.
Festgabe der Leipziger Juristenfakultät für D. Karl Bin-
ding zum 7. August 1913. München und Leipzig, Verlag von
Duncker & Humblot 1914. 166 S.
Diese Festgabe nimmt unter ihren Schwestern einen besonderen Rang