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aber liegt in ihrer Methode. MEISNER läßt, wie erwähnt, die Begründung
politisch-wissenschaftlicher Werturteile gelegentlich vermissen und ersetzt
diese Begründung durch die lediglich auf seine Ueberzeugung gestützte Be-
hauptung des historischen oder nationalen Charakters gewisser politischer
Prinzipien. Auch H. MAIER verzichtet im Einzelfalle gelegentlich auf die
besondere sachliche Begründung seiner Werturteile und folgt lediglich
einer in seinem allgemeinen Denken gegründeten Ueberzeugung. Aber er
bekennt sich offen und deutlich zu diesem Verzicht, er nimmt ehrlich das
Recht eine: gewissen Einseitigkeit seines Standpunktes in Anspruch, den
er als dur:h seine Weltanschauung gegeben kennzeichnet. Das bedeutet
jedenfalls eine Klärung. Freilich ist diese Klärung zunächst nur negativ;
positiv muß sich Verf. ihre Ergänzung dadurch gefallen lassen, daß nicht
nur andere Leute andere Weltanschauungen haben, sondern vor allem, daß
die Weltanschauung höchstens bei der Bewertung politischer Ideen
mitsprechen darf, die Ermittlung historischer Entwicklung staatlicher Ideen
aber der exakten Forschung überlassen muß®.
Im Interesse der Erkenntnis der politischen Ideen und ihrer staat-
lichen und rechtlichen Bedeutung erscheint es an sich als ein dankens-
* Daraus ergeben sich Bedenken gegen H. MAıERs Abhandlung. Sie
ist entstanden aus einer klugen, das Durchschnittsmaß weit übersteigen-
den Dissertation, die an sich eine erfreuliche Leistung darstellt. Da sie
sich aber im Vorwort als Einführung einer neuen wissenschaftlichen (der
von Weltanschauung beeinflußten) Methode gegenüber der bisherigen, für
unzulänglich erachteten, Arbeitsweise bezeichnet und damit die Erwartung
auf neue, bahnbrechende Erkenntnisse erweckt, kann die Feststellung nicht
unterbleiben, daß sie diese Erwartung schlechterdings nicht erfüllt. Die
Bearbeitung konnte unter zwei Gesichtspunkten geschehen: entweder dem
einer Kritik und Ergänzung der bisherigen reichen Forschung über dieses
Kapitel der Geschichte der Staatswissenschaft, oder dem der Verwertung
der bisherigen wissenschaftsgeschichtlichen Forschung zu einer klareren
Herausarbeitung der großen Linien der Entwicklung. Indem Verfasser sich
nicht für den einen oder den anderen dieser Gesichtspunkte entschieden
hat, ist keiner von ihnen zur Geltung gekommen: weder treten die
großen Linien der Entwicklung so viel klarer hervor als in den bisherigen
allgemeinen (MoHL, REHM, JELLINEK usw.) oder monographischen (GIERKE,
TROELTSCH, REDSLOB usw.) Darstellungen, daß seine Bearbeitung als eine Be-
reicherung erscheinen könnte, noch hat diese in den Einzelheiten, in denen
sie meist aus zweiter Hand schöpft, wesentlich neues gebracht; sie hat sogar
manches bisherige Forschungsergebnis, wie die Besprechung zeigen wird,
ungenutzt gelassen, — Die umfangreiche und z. T. recht gehaltvolle neuere
ausländische Literatur (z. B. GoocH, RITCHIE, SCHERGER, DOUMERGUE,
ATGER) scheint dem Verfasser ganz unbekannt geblieben zu sein.
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXIV. 3/4. 39