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die Nordamerikanische Union, die Schweiz seit 1848, der Nord-
deutsche Bund und das Deutsche Reich. In der Tat weist jede
der beiden Gruppen gemeinsame ceharakteristische Eigentümlich-
keiten auf, so daß wir vom rechtsvergleichenden Standpunkte aus
von Typen sprechen können.
III.
Beim Staatenbunde geht die grundlegende Frage dahin: ist
der Bund nur ein Vertragsverhältnis!° oder haben wir es mit
einer korporativen Vereinigung zu tun !f. Ich möchte mich für
die letztere Ansicht aussprechen. Sie allein ermöglicht eine Er-
klärung dafür, daß der Bund völkerrechtliche Verträge mit Wir-
kung für die Einzelstaaten abschließen kann und daß eine Zentral-
gewalt besteht, die für die einzelstaatlichen Gewalten bindende
Vorsehriften aufzustellen vermag "".
Betrachtet man den Staatenbund als Korporation und nicht
als Vertragsverhältnis, so kann seine Gründung nicht eine ver-
tragsmäßige sondern nur eine verfassungsgesetzliche sein. Der
15 So LABAND, Staatsrecht I S. 56 und die dort angeführte Literatur.
18 Diese Ansicht vertreten u. a. BRıE, Theorie der Staatenverbindungen
1886 S. 83ff. und G. MEYER-AnScHüTz, Staatsrecht S. 40f. Vgl. auch
KLöPpEL, Dreißig Jahre deutsche Verfassungsgeschichte 1900 8.3 fl. und 8.49.
Art. 2 der Wiener Schlußakte spricht zwar von Vertragsrechten und Vertrags-
obliegenheiten der Mitgliedstaaten unter sich, aber anderseits doch auch
von einem Vereine mit politischer Einheit und Gesamtmacht. Eine spezielle
Monographie über den Staatenbund mit eingehenden literarhistorischen
Ausführungen bietet G. J. EBErRs, Die Lehre vom Staatenbunde 1910.
17 Der Unterschied des Staatenbundes von bloßen vertragsmäßigen Ver-
einigungen von Staaten liegt darin, daß bei ersterem eine Gewalt besteht,
der sich die Gewalten der Staaten im Rahmen der Verfassung zu fügen
haben, während bei bloßen Staatenvereinigungen zur Verfolgung eines be-
stimmten Zweckes, das zentrale Amt oder Kollegium keine Machtvollkon-
menheiten gegenüber den einzelnen Staatsgewalten besitzt. Beispiele solcher
Aemter oder Kollegien sind die internationalen Flußkommissionen, das
Zentralamt für den nationalen Eisenbahnverkehr, die internationalen Bureaus
überhaupt, die internationalen Schuldenkommissionen usw.
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXIV. 1/2. 5