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beläßt, im weitern Sinne des Wortes einräumt. Allein die Ein-
räumung ist hier eine allgemeine, negativ begrenzte, während die
Einräumung an die Gemeinde eine spezifizierte oder detaillierte,
positiv bestimmte ist. Dieser Unterschied hat eine rechtliche
Tragweite. Treten infolge der Kulturentwicklung neue Aufgaben
an den Staat heran, so erscheint die einzelstaatliche Gewalt, so-
lange die Zentralgewalt sich nieht der Materie bemächtigt, ohne
weiteres als kompetent, Anordnungen zu treffen; die Gemeinde
bedürfte hiezu, wenigstens in der Regel, einer ausdrücklichen
staatlichen Ermächtigung. Man kann sagen, die Rechtsvermutung
spreche im Bundesstaate für die Kompetenz der Einzelstaaten
gegen diejenige der Zentralgewalt, im Staate gegen die Gemeinde-
gewalt für die Staatsgewalt.
Völkerrechtlich liegt der Unterschied zwischen dem Einzel-
staate des Bundesstaates und einer Gemeinde darin, daß ersterer
materiell betrachtet, als Organ des Staates die staatsrechtliehe
Kompetenz und die völkerrechtliche Legitimation zum Abschlusse
von Staatsverträgen in beschränktem Umfange hat, die Gemeinde
nicht. Formell betrachtet erscheint der Einzelstaat sogar als be-
schränkter Staat *, d. h. als Staat mit beschränkter Unabhängig-
keit und Gebietshoheit *°, was die Gemeinde nicht ıst.
4 Vgl. STÖBER, Archiv für öffentl. Recht I 8.638 ff. und REHM, Allge-
meine Staatslehre 8. 38.f.
#5 Die beschränkte Gebietshoheit zeigt sich sowohl nach der positiven
wie nach der negativen Seite hin. Positiv besteht sie in dem Rechte, alles
Erforderliche zur Durchführung der abgeschlossenen Verträge auf dem Ge-
biete vorzunehmen. Negativ zeigt sie sich in dem Anspruche gegen aus-
ländische Staaten, Einwirkungen auf das Gebiet zu unterlassen, welche die
Durchführung der Verträge hindern könnten, Eine Grenzverletzung des
bundesstaatlichen Gebietes ist insoweit zugleich auch eine völkerrechtliche
Verletzung des einzelstaatlichen Gebietes, als dadurch die Freiheit in der
Durchführung übernommener völkerrechtlicher Verpflichtungen verletzt wird.
Die völkerrechtliche Gebietshoheit ist also formell einer Teilung fähig, es
werden die einzelnen Befugnisse, aus welchen das Recht besteht, ausein-
andergehalten.