Friedrich Julius Stahl.
Von
Dr. jur. WALTHER ÖPPERMANN in Dresden.
Wer die Geschichte der nationalen Idee bis an ihre Wurzel
verfolgt, der wird zurückgeführt bis in die Tage der Revolution
von 1789, in denen der Gedanke der Souveränität der Nation
emporkam, d. h. der Staatsnation, die ihre politischen Geschicke
selber zu leiten unternimmt. Da ist ein erstes Aufleuchten des
nationalen Selbstbewußtseins, das RENAN m die Worte kleidet:
„Lexistence d’une nation est un plebiscite de tous les jours* ..
Nation ist, was eine Nation sein will. Und bemerkenswerter
Weise finden wir in Deutschland die erste Spur des National-
staatsgedankens gerade in einem Ideenkreise, von dem der erfolg-
reichste Widerstand gegen das von der Revolution emporgetragene
französische Imperium ausging: JOHANN GOTTLIEB FICHTE schrieb
schon 1807 in einem Aufsatz über Macchiavell die bedeutungs-
vollen Worte: „Ueberdies will jede Nation das ihr eigentümliche
Gute soweit verbreiten, als sie irgend kann und soviel an ihr
liegt, das ganze Menschengeschlecht sich einverleiben, zufolge
eines von Gott den Menschen eingepflanzten Triebes, auf welchem
die Gemeinschaft der Völker, ihre gegenseitige Reibung anein-
ander und ihre Fortbildung beruht.“ Das ist noch der Gedanke
der Menschheitsnation, wie SCHILLER ihn gefaßt hatte: das deutsche
Volk als reinste Geistes- und Kulturnation muß den ersten Platz