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naturrechtliche Staatskonstruktionund den pantheistischen
Staatsbegriff HEGELs ab. Der Staat ist nicht ein Organismus,
er ist nur als ein sittliches Reich möglich. So erwächst die
herrschende Obrigkeit nicht aus dem Volk und seinem Geiste,
sondern sie ist für das Volk schlechthin gegeben, eine vor und
über ıhm stehende Macht. „Du sollst Pietät haben vor dem,
was durch Gottes Fügung oder Zulassung geworden ist... ., du
sollst nicht nur der Obrigkeit gehorchen, wo solche besteht, son-
dern du sollst der in der Geschichte wurzelnden Dynastie
Treue und Anhänglichkeit zollen.“
Für den modernen Juristen ist STAHL insofern besonders
interessant, als er zwar an der historischen Rechtsschule zuerst
sich orientiert hat, dann aber einen bedeutsamen Schritt über sie
hinausgeht. Die Funktion des Göttlichen in der Geschichte ist
nach ihm nicht nur die Legitimierung des Gewordenen, sondern
es ist auch Ziel und Richtmaß des Werdenden. Es gibt kein
„Naturrecht oder Vernunftrecht“, aber es steht doch dem bloß
„positiven Recht ein Gottgebotenes, Gerechtes, Vernünftiges“
gegenüber. Das Maß, an dem das Recht gemessen und gerichtet
wird, findet STAHL, seiner theistischen Staatsauffassung entspre-
chend, in den Gedanken und Geboten der Weltordnung Gottes;
sie sind Prinzipien und Richtmaß für die Gesetze, aber nicht
selbst Gesetze. Das geltende positive Recht hat ein doppeltes
Moment: die bloß positiven Normen und das „Richtige“ in ihnen
— so kann man in Anknüpfung an STAMMLER sagen. —
Im Sommer 1832 wurde STAHL zum außerordentlichen Pro-
fessor in Erlangen ernannt, erhielt aber, noch bevor er dort eine
Vorlesung gehalten hatte, eine ordentliche Professur des römischen
Rechts an der Universität Würzburg, — freilich noch mit so be-
scheidenem Gehalt, daß ROTENHAN ihn wiederholt, wie SALZER
a. a. O. Seite 231 berichtet, mit kleinen Darlehen unterstützen
mußte. Zwei Jahre darauf, im September 1834, wurde er als
ordentlicher Professor für Staats- und Kirchenrecht wieder nach