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STAHL mehr und mehr den öffentlichen Verhältnissen in Staat
und Kirche zu. Vorerst wirkte er nur als politischer Schrift-
steller, seit 1848 namentlich als Mitarbeiter der Kreuzzeitung.
Erst mit seinem Eintritt in die Preußische Erste Kam-
mer° im Frühjahr 1849 eröffnete sich seiner Begabung das
eigentliche Entwicklungsfeld. Hier gewann er alsbald die Führung
der konservativen Partei Preußens, deren Programm er entwickelte,
wie es noch heute besteht. In zwei großen Lebensfragen Deutsch-
lands und Preußens hat er vornehmlich sich betätigt: im preußi-
schen Verfassungsstreit und in der deutschen Frage.
Die Grundzüge seines verfassungsrechtlichen Bekenntnisses
sind in den klaren Sätzen seiner Abhandlung „über das monarchische
Prinzip“ (1845) niedergelegt. Auf Grund eindringender Kenntnis
des englischen Verfassungslebens stellt er hier das Wesen des
parlamentarischen und des monarchischen Systems einander gegen-
über, und er hat seine entschiedene Ueberzeugung für die Rechte
der Krone wiederholt auch in seinem parlamentarischen Auftreten
verfochten. „Nicht das ist konstitutionell, daß das Volk über
dem König sei, sondern das ist konstitutionell, daß der Staat über
König uud Volk sei als eine höhere Ordnung und Notwendig-
keit, an der sie Beide gebunden sind.“ So heißt es in einer Rede
über das Steuerverweigerungsrecht vom 16. Okt. 1849, Siebzehn
parlam. Reden S. 10, und in demselben Zusammenhang sagt er:
„Freie Begeisterung erhob sich in den Jahren 1813 bis 1815.
Bewahren Sie dieses edle Band geistig sittlicher Abhängigkeit
vom Volke, in welchem Preußens Könige immer gestanden haben
und immer stehen sollen; wandeln Sie es nieht um in das niedrige
Band einer finanziellen Abhängigkeit“ (ebenda S. 16). Auf der
andern Seite tritt er entschlossen für die Rechte der Stände im
konstitutionellen Sinne ein: „Der Absolutismus ist nieht das Ziel
8 Auf Grund von Art. 65 der Preuß. Verfassung vom 5. Dezember 1848:
aufgehoben durch Ges. vom 7. Mai 1853, wurden 120 Mitglieder des Herren-
hauses gewählt.