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Verwaltung, schon wegen der jetzt unentbehrlichen gesetzlichen
Grundlage für Eingriffe in Freiheit und Eigentum, da konnte man
nicht daran denken, diese Gesetze eiligst in der neuen Form fest-
zustellen. Man übernahm einfach als solche alle vorhandenen
landesherrlichen Anordnungen schlechthin nach dem äußerlichen
Maßstab, daß sie veröffentlicht waren“ : so sind dies mehr Tat-
sachenfeststellungen als eigenes Urteil. Nur gegenüber SEYDELS
Ausspruch ®: „Wo die gesetzliche Grundlage fehlte, «half die Ver-
waltung sich selbst»“ spricht MAYER das kritische Wort: „Nur
möchte ich das kein Recht nennen.“
Die Kritik geht zu weit. Einwandfrei ist nämlich die gerügte
Verwaltungspraxis insoweit, als sie überhaupt noch auf recht-
licher Grundlage basiert, mögen die von ihr angewendeten
Rechtsnormen auch nicht die Gesetzesform aufweisen. Dies aller-
dings nur unter der einen Voraussetzung, daß es sich um Recht,
wenn auch nicht Gesetzesrecht, des nämlichen Staates
handelt.
Wenn das, wie MAYER abschließend bemerkt, „überall so ge-
schehen ist, als selbsverständlich*, so hat, wie wir behaupten
möchten, die Praxis mit gutem Instinkte in der Regel das Richtige
gefunden, eher als die Theorie, die infolge einer Ueberschätzung
des Abstandes zwischen absoluter und konstitutioneller Regierungs-
form über Dinge stolpert, über die die Praxis mit Leichtigkeit
hinwegkommt. Daß Rechtssätze aus dem absoluten und konsti-
tutionellen Staat gleichzeitig angewendet werden, kann insoweit
kein Stein des Anstoßes werden, als, was ohne weiteres möglich
ist — dies kann nicht oft genug betont werden — insoweit also,
als Absolutismus und Konstitutionalismus in einem Staate als
einander ablösende Regierungsformen vereinigt sind. Man wird uns
vielleicht Inkonsequenz vorwerfen, wenn nun, nachdem diese Aus-
56 Dies war auch bei verfassungsmäßiger, d.h. mit der vorangegangenen
Verfassung vereinbarer Verfassungsschöpfung gar nicht nötig.
57 Bayrisches Staatsrecht II, S. 321.