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schiedene Rechtsordnungen überbrücken und auf der Basis
einer historisch-politischen Staatseinheit zu einer Rechtseinheit
zusammenschließen könnte.
Die Verfassung ist es, welche die Rechtseinheit reprä-
sentiert und damit auch die Staatseinheit, den einen be-
stimmten Staat konstituiert; und sie ist es auch, die durch ihren
Rechtssatz von der lex posterior — die Form ist da, daß den
Rechtserzeugern die Ermächtigung zur Aenderung der Rechtser-
zeugnisse erteilt wird — das positive Recht trotz formeller Un-
nachgiebigkeit materiell wandelbar, trotz gedanklicher Ewigkeit
doch tatsächlich zeitlich, trotz theoretischer Utopienhaftigkeit prak-
tisch brauchbar macht. Nur muß eben die Verfassung, muß das
Recht gesprochen haben, und nicht ginge es an, daß die Wissen-
schaft nachholt, was jene versehen hat.
Die österreichischen Verhältnisse waren uns willkommene
Gelegenheit, die allgemeinen Aufstellungen zu beleuchten und zu
bewahrheiten. — Indem wir das Konstruktionsmittel des Satzes
von der lex posterior verwarfen, schien die österreichische Staat-
lichkeit in ein Chaos von Trümmern auseinanderzufallen. Doch
das Bindemittel der Verfassung? — dieser echte Erkenntnisgrund
der Rechtseinheit — hat uns eine ungleich solidere Staats-
einheit im Rechtssinne ergeben.
°* Auf welche Verfassungsurkunde im besonderen man das Rechts-
und Staatsgebäude basiert, ist dabei von untergeordneter Bedeutung; so
will denn auch meine Fundierung des konkreten Staates auf die Zweiheit
von Septembermanifest und Dezemberverfassung nicht als systematische
Notwendigkeit betrachtet werden.