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Ausdrücken formulierten Bestimmungen der einzelnen gliedstaat-
lichen Verfassungen über Gebietsverkleinerungen ihrem Kern und
Wesen nach mit unseren prinzipiellen Darlegungen über Gebiet
und Gebietsverfügung durchaus vereinbar.
83 Notwendiges Zusammenwirken von Reich
und Gliedstaaten bei Gebietsverfügungen.
Wenn durch eine staatliche Maßnahme der Gebietsverfügung
gleichzeitig das Reichsgebiet und ein Gliedstaatsgebiet getroffen
wird, so entsteht die Frage, ob diejenige Staatsgewalt, von der
jene Maßnahme nicht ausging, die jedoch in ihrer Charakterisie-
rung als Gebietshoheit durch sie mitbetroffen wurde, dagegen ein
Widerspruchsrecht hat bzw. ob ihr ein Mitwirkungsrecht derge-
stalt zusteht, daß die Rückwirkung der Maßnahme auf ihr Gebiet
und damit ihre volle Rechtswirksamkeit dadurch bedingt ist, daß
die mitbetroffene Staatsgewalt sich jener Maßnahme durch eine
eigene, auf das entsprechende Ziel gerichtete Handlung anschließt.
Die Einrichtung des Bundesstaates, die Ueberordnung der Reichs-
gewalt über die Gliedstaatsgewalten läßt es nicht zu, daß die
Gebietsverfügung eines Gliedstaates für die Reichsgebietshoheit
ohne weiteres maßgebend sei!%0. Aber auch der umgekehrte Fall,
daß eine Gebietsverfügung des Reiches für die betroffene Landes-
gebietshoheit ohne weiteres maßgebend sei, ist nur als Ausnahme
denkbar'5!, Der einzige Ausnahmefall dieser Art, den das deut-
sche Recht kennt, ist die früher dargelegte Möglichkeit der Ab-
tretung von Reichs- und zugleich Landesgebiet gemäß Art. 11 der
RV. durch den Kaiser in einem für uns ungünstigen Friedens-
vertrage!®. In allen anderen Fällen dagegen besteht der Grund-
satz, daß, wenn zugleich über Reichs- und Landesgebiet verfügt
werden soll, dies nur unter Zusammenwirken von Reichs- und
150 PREUSS 410.
151 Pryuss 4ll.
#2 Vgl. oben $ 2 I, A. 2.