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als auch als Legislative dar. Was ihr den Legislativcha-
rakter gibt, ist die Zutat an freiem Ermessen ®®, welches freilich
beim konkreten Verwaltungsakt oder gar bei der gerichtlichen Ent-
scheidung auf ein Minimum herabgehen kann, welches anderer-
seits in dem durch die Verfassung nur formal determinierten Ge-
setz seın Maximum erreicht; was aber sämtlichen Staatsfunk-
tionen von der konkreten gerichtlichen Entscheidung und vom
Verwaltungsakt hinauf bis zum Gesetz den Cbarakter der Exe-
kutive verleiht, ist die Beziehbarkeit auf die Verfassung, die Bin-
dung durch die Verfassung.
V. Die Verfassung als Prinzip der Rechtseinheit.
Nicht ein logisches Prinzip von der lex posterior, sondern
die Verfassung, welche unter anderen auch einen solchen
Rechtssatz ausspricht, ist uns das Prinzip einer Rechtsein-
heit. Was bis zu seinem gedanklichen Ursprung zurückverfolgt, in
eine Verfassung mündet, ist als einer Rechtseinheit und damit
einem einzigen Staate zugehörig anzusehen. Insbesondere ist
es auch nur die Verfassung, welche verschiedene, zeitlich aufein-
ander folgende Gesetze einem einzigen Staate zuzurechnen ge-
stattet”. Es kann hier kaum von Kontinuität die Rede sein, viel
®° Vgl. auch Keısen, Hauptprobleme 8. 504 ff.; insbesondere VERDROSS,
Das Problem des freien Ermessens und die Freirechtsbewegung, Oesterr.
Zeitschr. für öffentl. Recht, 2. Jahrgg., S. 40 fl.
#7 Hiermit eröffnet sich eine Möglichkeit, die Gesetzgebung als Staats-
funktion zu begreifen, jene Möglichkeit, welche der herrschenden Lehre
von ihrem Standpunkt aus logisch nicht offen stehen würde, wiewohl sie
unbekümmert um ein solches Bedenken diese Möglichkeit als Selbstver-
ständlichkeit annimmt. Die beziehungslose oder nur durch das in Wirk-
lichkeit bloß eine Scheinverbindung herstellende Prinzip von der lex po-
sterior verbundene Gesetzgebung, wie sie die herrschende Lehre darstellt,
kann allerdings — mangels des entscheidenden Kriteriums, mangels des
auf ein gemeinsames Zentrum beziehenden rechtlichen Zurechnungssatzes —
nicht als Staatsfunktion begriffen werden. KELSEN hatte vollständig recht,
wenn er als erster (Hauptprobleme, vornehmlich 8.467 fl.) einer solchen Ge-
setzgebung staatlichen Charakter bestritt. Bringt man aber die Gesetzgebung