Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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lichen einheitlicher Volksstaat auf das freie Selbstbestimmungsrecht der 
deutschen Nation in ihrer Gesamtheit begründet werden.“ Demgemäß setzt 
auch der Entwurf selbst in $ 2 ganz folgerichtig: „Alle Staatsge- 
walt liegt beim deutschen Volk.“ Siewird — für es und nach seinem 
Willen — „ausgeübt“ in Reichsangelegenheiten nach der Reichsverfassung, 
„in den Landesangelegenheiten durch die deutschen Freistaaten nach Maß- 
gabe ihrer Landesverfassungen“ — der Souverän bleibt immer das deutsche 
Volk. Der zweite Entwurf hat bekanntlich stark föderalistische Zutaten 
gebracht und dementsprechend lautet $ 2 Abs. 1 dort: „Alle Staatengewalt 
liegt beim Volk“ — beim deutschen, preußischen. bayrischen, sächsischen 
usw. Das ist bedeutsam. Der Entwurf STIER-SOMLO sagt von vornherein: 
&‘1 „Die Staatsgewalt der Vereinigten Staaten von Deutschland steht zu 
dem deutschen Volke“. Dabei ist gedacht: die der Einzelstaaten steht zu 
dem preußischen, bayrischen, sächsischen usw. Volke. Die Einzelstaaten 
sind hier als das Selbstverständliche, das Bleibende vorausgesetzt. 
Der Verfasser ist sogar der Meinung: das Deutsche Reich sei durch 
die Kevolution zunächst einfach untergegangen; denn „der Be- 
stand dieses Deutschen Reiches war nach Maßgabe seiner Verfassung an 
das Vorhandensein der Monarchie gebunden“ (S. 38). Von den Einzelstaaten 
nimmt er das nicht an; sie sind nur meist „verfassungesrechtlich 
nicht mehr identisch“ (S. 48). Die herrschende Ansicht wird doch wohl 
sein, daß Staaten durch Revolution nicht von selbst untergehen, sondern 
mit veränderter Verfassung fortdauern; die Staatsverfassung nur ist nicht 
mehr „identisch“. War nun das Reich ein Staat, so müßte man wohl von 
ihm das gleiche sagen. War es ein Bund mit starker Bundesgewalt. so 
würde die republikanische Revolution in den Einzelstaaten selbstverständ- 
lich gewisse Aenderungen an seiner Verfassung nach sich ziehen, ein Unter- 
gang des Bundes, Reich genannt, wäre auch dann nicht notwendig. Die 
Einzelstaaten, jetzt „Freistaaten“ genannt, würden die Reichsregierung nun 
auf ihre neue Art stellen und zusammen mit dem Reichstag, der ver- 
bliebenen Vertretung des deutschen Volkes, von welchem ihr Souverän 
einen Teil bildet, diese Verfassungsänderungen vornehmen. Die Revolution 
könnte auch zur Folge haben, daß etliche „Freistaaten* sich von dem 
Bunde (Reich genannt) lossagten oder gar alle auseinandergehen; das wäre 
dessen Untergang. Umgekehrt wäre es auch möglich, daß bei dieser Ge- 
legenheit die Gesamtheit des deutschen Volkes sich als Souverän eines 
republikanischen deutschen Gesamtstaates organisierte. Dann hörte der 
Bund nur auf, um dieser stärkeren Form der Zusammengehörigkeit Platz 
zu machen. Derselbe Vorgang kann sich bei einem bisher schon republi- 
kanischen Staatenbund auch ohne Revolution vollziehen. Beispiel die 
Unionsverfassung von 1787: We the people of the United States do ordain 
and establish this constitution. Dem Frankfurter Parlament, obwohl.es aus 
guten Gründen zur Volkssouveränität sich nicht gerade heraus bekennen
	        
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