Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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wollte, schwebte doch bei seinem .kühnen Griff“ der selbständigen Ver- 
fassungsschöpfung dieses Beispiel vor. Der Entwurf Prruss hat unter 
besseren Voraussetzungen, als sie damals gegeben waren. den nämlichen 
Gedanken wieder aufgenommen mit seinem „im wesentlichen einheitlichen 
Volksstaate, auf das freie Selbstbestimmungsrecht der deutschen Nation in 
ihrer Gesamtheit begründet“. Und unser Verfasser? Wie denkt er sich 
das Zustandekommen dieser Neuordnung”? Zunächst augenscheinlich in der- 
selben Weise, also nach amerikanischem und Frankfurter Vorbild. Der 
Eingang seines Verfassungsentwurfes (S. 15) beginnt in absichtlichem An- 
klang: „Wir, das deutsche Volk usw., gründen 'einen souveränen Bundes- 
staat.“ Der alte „Staat“ (Reich) ist dahin, also gründet man einen neuen. 
Aber die „Freistaaten“ sind ja noch lebendig. Die echt republikanische 
Idee, daß der Mehrheitswille einer tatsächlich verbundenen Menschenge- 
meinschaft schlechthin rechtsverbindlich ist für alles darin Begriffene, des- 
halb auch an den darin schon vorhandenen staatlichen Gebilden seiner- 
seits keine förmliche Rechtsschranke findet, widerstrebt dem Verfasser. Mit 
JELLINFK erkennt er an, daß die Staatsgründung rein tatsächlicher Natur 
sei. mit LABAND aber, daß gegenüber bereits vorhandenen Rechtsordnungen 
dieser Vorgang einer Beurteilung nach seiner Rechtmäßigkeit unterliegt 
(S. 50 und 5l). Um also gegenüber dem Rechte der Freistaaten legitimiert 
zu sein, muß die neue Reichsgründung geschehen unter entsprechender 
Mitwirkung dieser (S. 51). Deshalb erhält in diesem Verfassungsentwurf 
jene nordamerikanische Preambel eine eigentümliche Zutat. Ihr erster 
Satz lautet vollständig: „Wir, das deutsche Volk und die sämtlichen 
deutschen Freistaaten gründen einen souveränen Bundesstaat.“ Der 
Vorgang bekäme hier eine gewisse Aehnlichkeit mit dem vorhin bespro- 
chenen Falle, wo ein monarchischer „Bundesstaat“ nach republikanischer 
Umwälzung in den verbündeten Einzelstaaten unter Beibehaltung des 
föderalistischen Grundzugs. deutlicher gesagt: der Bundesnatur ihrer Ge- 
meinschaft, nunmehr entsprechend umgestaltet wird. Manchmal sieht es 
ja so aus, als neigten die Dinge wirklich nach dieser Richtung. Mit dem 
„einheitlichen Volksstaat“ wäre es dann mehr oder weniger nichts. 
In solcher Weise enthält diese Arbeit für die allgemeine wissenschaftliche 
Betrachtung mancherlei Anregendes. Wir wollten das bloß an einem heraus- 
gegriffenen Beispiel zeigen. 0.M. 
Ernst Zitelmann, Die Unvollkommenheit des Völkerrechts, 
Rede, gehalten am hundertjährigen Gründungstag der Rheinischen 
Friedrich- Wilhelms-Universität zu Bonn, 18. Oktober 1918. als der- 
zeitiger Rektor. München und Leipzig, Duncker und Humblot 1919. 
60 S, 
Ihr Datum ergibt die eigentümliche Stimmung, die auf dieser Rede 
liegt: sie ist eine Prunkrede im Trauergewand.
	        
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