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solche handelt es sich hier, wie schon ihre Eigenschaft als Teile von
Rechtsenzyklopädien zeigt — gewürdigt werden, so müssen wir uns vor
allem über seine Stellung im großen System der gesamten Finanzwissen-
schaft klar werden.
Man war bisher gewöhnt, unter „Finanzwissenschaft“ ohne weiteres
die wirtschaftliche und politische Betrachtung des Finanzwesens zu ver-
stehen. Diese politische Finanzwissenschaft ist daher auch
am meisten durchforscht und scheint auf einem gewissen Höhepunkte an-
gelangt zu sein. Innerhalb dieser Richtung der finanzwissenschaftlichen
Forschung haben sich im 19. Jahrhundert die klassische und die roman-
tische Schule abgelöst, während gegenwärtig die publizistische und die
historische Schule um die Palme kämpfen. Während erstere ihre Betrach-
tung mehr dem zuwendet. was sein soll und ihre Hauptaufgabe in der
Ausarbeitung von Reformvorschlägen erblickt, ist die historische Schule
bestrebt, die finanzwirtschaftlichen Tatsachen in ihren Ursachen und Wir-
kungen zu analysieren. Der Hauptvertreter der historischen Schule ist
LoTz und sein Werk „Finanzwissenschaft“ bezeichnet wohl den Höhepunkt
dieser Richtung. Auf Quellenstudien fußend und überall offen etwaige
Lücken der bisherigen Forschung bekennend, zeigt LoTz klar den allge-
meinen Entwickelungsgang der Finanzwirtschaft, markiert immer scharf
die Entwickelungsstufe auf der wir stehen und weist den künftigen Weg.
Das Lo’rzsche Werk ist verarbeitete Erfahrung, ohne aprioristische Forde-
rungen und Solldefinitionen und frei von jeder parteipolitischen Einseitig-
keit. Jeder Politiker und jeder, der sich theoretisch und praktisch mit
dem Finanzwesen zu befassen hat, muß das Werk gelesen haben. Eine
Inhaltsangabe im einzelnen, die dem gewichtigen Inhalt des Werkes un-
möglich gerecht würde, kann daher hier unterbleiben. Nur soviel sei aus
dem Inhalte hier erwähnt, daß nach einleitenden Ausführungen über den
Gegenstand der Finanzwissenschaft. über die Methode und über den Ver-
gleich der öffentlichen mit den Privatwirtschaften, das erste Buch über
Finanzliteratur und Finanzgeschichte handelt. Auf das zweite Buch werden
wir weiter unten zu sprechen kommen. Das dritte Buch behandelt die
öffentlichen Ausgaben. Das vierte Buch über die ordentlichen öffentlichen
Einnahmen umfaßt den größten Teil des Werkes und enthält als Haupt-
bestandteil eine systematische Untersuchung der Steuerlehre. Das fünfte
Buch endlich handelt von den außerordentlichen öfientlichen Einnahmen,
insbesondere vom Kredit.
Eine zweite Art der finanzwissenschaftlichen Betrachtung möchte ich
die technische Finanzwissenschaft nennen. Der ganze Finanz-
apparat eines Staates ist ein Werk von feinster Technik, dessen einzelne
Räder genau ineinander greifen müssen, damit Ordnung im Staatshaus-
halte herrscht und die nötigen Finanzen jeweils da zur Verfügung stehen,
wo sie gerade benötigt werden. Dieser feine Apparat ist durch eine Un-