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Das Staatsministerium begründete übrigens seine Ansicht in
folgender Weise: Durch den Ausdruck in 82 Nr. 2 Disziplinar-
gesetz von 1852 „sich zeigt“, im Gegensatz zu „ist“ oder „sich
benimmt“ werde das entscheidende Gewicht nicht sowohl auf den
Zeitpunkt des Begehens, als vielmehr auf denjenigen des Be-
kanntwerdens unwürdiger Handlungen während der Anstel-
lung des Beamten gelegt. Der Disziplinarriehter habe daher für
die Beurteilung, ob ein Beamter im Sinne dieser Strafbestimmung
sich unwürdig zeige, nicht nur die Handlungen, die ein Be-
amter als solcher in oder außer dem Amte begehe, sondern
auch diejenigen Tatsachen und Handlungen (Unterlassungen) in
Betracht zu ziehen, die in die Zeit vor Erlangung der Beamten-
eigenschaft fielen, aber erst während der Amtierung des Beamten
bekannt würden oder zur amtlichen Kenntnis gelangten °.
Der unbefangene Leser wird hinsichtlich des $2 Nr. 2 Dis-
ziplinargesetz von 1852 schwerlich der Wortinterpretation des
Staatsministeriums folgen können. Bereits die Fassung von Nr. 1:
„Ein Beamter, welcher die Pflichten verletzt, die ihm sein
Amt auferlegt“, bezielt offensichtlich als disziplinwidrig nur
solche Handlungen des Beamten, welche derselbe nach Erlangung
von Amt und Beamteneigenschaft und demgemäß nach dem Ueber-
kommen von Amtspflichten gegen dieselben begangen. Ein gleich-
artiger Tatbestand wird nun aber sinngemäß auch offenbar in
Nr. 2 vorausgesetzt. Es kommt hiernach nicht darauf an, daß
der Beamter ‚gewordene irgendwie „sich unwürdig zeigt“, sondern
das „sich unwürdig zeigen“ muß erfolgen dureh sein Ver-
halten in und außer dem Amt. also jedenfalls durch
Handlungen nach Erlangung von „Amt“ und Beamteneigenschatt.
Es ist eine petitio principi, wenn dem gegenüber das Staatsmi-
nisterium das „sich unwürdig zeigen“ auf ein objektives, erst nach
der Anstellung als Beamter eintretendes, als „unwürdig bekannt
werden“ abstellt. Es ist dadurch das „sich unwürdig zeigen“ von
® v. RHEINBABEN, Disziplinargesetze S. 95 f.