Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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seinem natürlichen Zusammenhang mit „durch sein Ver- 
halten in und außer dem Amte*“ sinnwidrig losgelöst 
und der ganze fremde Begriff des „Bekanntwerdens“ in das Ge- 
setz selbst eigenmächtig hineingetragen. „Im Auslegen seid frisch 
und munter — legt ihrs nicht aus, so legt was unter.“ 
Es haben denn auch das Oberverwaltungsgericht, der Große 
Disziplinarsenat des Kammergerichts und der Kaiserliche Diszi- 
plinarhof in Leipzig in neueren Entscheidungen den Auslegungs- 
standpunkt des preußischen Staatsministeriums nicht gebilligt und 
im Gegenteil angenommen. daß nur ein Dienstvergehen im strengen 
Sinne des Begriffs d. h. eine Verletzung der erst mit der Ueber- 
nahme des öffentlichen Amts überkommenen Pflichten zu einem 
disziplinellen Einschreiten führen könne. „Die Konstruktion, daß 
der Mangel der persönlichen Integrität, das Nichtmitbringen der- 
selben in ein Amt ein besonderes Dienstvergehen sei, ist logisch 
kaum haltbar, abgesehen davon, daß sie im Gesetz keinen Boden 
findet“ (Großer Disziplinarsenat des Kammergerichts vom 20. De- 
zember 1904). Nun hat V. KHEINBABEN selbst noch die eigene 
Meinung, ein Dienstvergehen sei auch darin zu finden, daß ein 
Beamter nach der Anstellung die Täuschung der Behörde, die er, 
um Beamter zu werden. begangen, späterhin aufrechthalte, weil 
darin eine Verletzung der jedem Beamten obliegenden Pflicht der 
Wahrhaftigkeit liege. Die praktische Konsequenz dieser Auf- 
fassung wäre, daß der Beamte die Amtspflicht hätte, sich selbst 
sofort nach Erlangung der Beamteneigenschaft wegen der ver- 
übten Täuschung zu denunzieren. Gewiß ist der Gesetzgeber in 
der Lage, in dieser Weise die Beamtenpflicht zur dienstlichen 
Wahrhaftigkeit positiv auszubauen, und das ist unzweifelhaft jetzt 
geschehen, wenn gesetzlich vorgesehen ist, daß ein disziplinelles 
Einschreiten auch wegen der Handlungen vor der Anstellung 
stattfinden könne. Der preußische Gesetzgeber hat aber die letztere 
Anordnung nicht getroffen, und demgemäß muß es als fraglich, 
weil der menschlichen Natur zuwiderlaufend, angesehen werden,
	        
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