Gegensatzes von Schuld und Haftung bewußt bleiben und dürfen
zweitens die Öffentlichrechtliche Natur der Finanzrechtsinstitute
nicht außer acht lassen. Ueber letztere haben wir schon ge-
sprochen; hier wollen wir nur kurz über den ersteren Punkt uns
orientieren. |
Die Schuld erschöpft sich nach deutschrechtlicher Auffassung
auf passiver Seite in einem Leistensollen, auf aktiver Seite in
einem Bekommensollen. Das Haftungsverhältnis, das den Haften-
den einer rechtlichen Macht des Gläubigers unterwirft und dem
Gläubiger ein Zugriffsrecht einräumt, um sich die geschuldete
Leistung oder den Ersatz derselben zu verschaffen, tritt erst zu
der Schuld hinzu®. Schuld und Haftung können vereint sein, aber
auch jede für sich selbständig nebeneinander entstehen und be-
stehen. Die Sonderung des Rechtsverhältnisses der Schuld und
jenes der Haftung ist das wesentliche.
Dies ist aber nicht die einzige Eigentümlichkeit des deutschen
Rechtes. Im Gegensatze zum römischen Recht erfährt die Schuld
eine Verselbständigung oder Versachlichung — den Ausdruck Ver-
dinglichung, der zu Mißverständnissen führen kann, wollen wir
vermeiden —, welche sie nicht an eine bestimmte Person des
Gläubigers oder Schuldners fesselt, sondern für sich allein bestehen
läßt. Die Schuld wird losgelöst von einer bestimmten Person des
Schuldners oder Gläubigers und wandelt mit der Sache, mit der
sie verbunden ist, ihre eigenen Wege.
Die deutschrechtliche Forschung auf diesem Gebiet ist noch
nicht abgeschlossen. Namentlich die rechtsgeschichtliche Er-
klärung ist noch nicht gesichert. Wir glauben aber dennoch, die
Ergebnisse der herrschenden Lehre für unser Rechtsgebiet verwerten
zu können und erhoffen eine Stärkung der zivilrechtlichen Lehre
durch das Finanzrecht. In ihm erscheinen von altersher Schuld
und Haftung gesondert; es sind selbständige Rechtsinstitute.
8 OTTO vV. GIERKE, Deutsches Privatrecht, II Schuldrecht, 1917,
S. 81£.