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ten unfaßbar sind. Hiebei darf vom rechtstechnischen Standpunkt
Eines nicht außer acht gelassen werden. Es handelt sich im Steuer-
recht um zwangsweise auferlegte Leistungen und wo es sich
um Zwang handelt, ist stets die größte Genauigkeit erforderlich.
Das Sinken der Steuermoral hat zu einem großen Teil seinen
Grund darin, daß die steuerzahlenden Staatsbürger damit unzufrie-
den sind, wenn ihre Mitbürger, die ebenso oder noch in höherem
Grade leistungsfähig sind, infolge mangelhafter gesetzlicher Be-
stimmungen steuerfrei oder geringer besteuert davonkommen.
Trotz der grundsätzlichen Freiheit, der sich das Finanzrecht
im juristischen Aufbau der subjektiven und objektiven Steuerpflicht
erfreuen muß, muß es aber doch mit dem praktischen Rechts-
leben rechnen. Einmal kann es nicht wahllos sein System auf-
bauen. Es muß sich vielfach der gleichen Begriffe und Ausdrücke
bedienen, die auf anderen Rechtsgebieten heimisch sind. Diese
Begriffe und Ausdrücke müssen den ihnen sonst innewohnenden
Sinn bewahren, wenn man nicht ein Schwinden der Rechtssicher-
heit heraufbeschwören will. Das Finanzrecht muß weiters mit
den bestehenden materiellen Rechtseinrichtungen, den vermögens-
und familienrechtlichen Grundsätzen, den staats- und verwaltungs-
rechtlichen Einrichtungen sowie mit dem geltenden Prozeß- und
Exekutionsrecht rechnen und Aenderungen dieser Grundsätze fol-
gen. Es soll namentlich nicht Pflichten auferlegen, die mit den
15 Dies ist der Grund zahlreicher Novellen zu den Steuergesetzen. So
waren in Sachsen vor dem 1. Jan. 1900 nicht rechtsfähige Vereine, die
nach ihrer Verfassung von dem Wechsel der Mitglieder in ihrem Bestehen
nicht berührt werden, einkommensteuerpflichtig, weil sie nach gemeinem
und sächsischem Rechte unter ihrem Namen Prozesse führen, Rechte er-
werben und Verpflichtungen eingehen konnten. Mit dem Inkrafttreten des
BGB. verloren sie diese Rechte und es entfiel daher auch die Steuerpflicht.
Es mußte eigens die Novelle zum sächs. EinkStG., allerdings erst vom
15. Juni 1908, die nicht rechtsfähigen Vereine den mit dem Rechte des
Vermögenserwerbs ausgestatteten Personenvereinen gleichstellen. Nur
steuerlich werden sie so behandelt, als ob sie mit dem Rechte des Ver-
mögenserwerbes ausgestattet wären. Jahrbücher desfsächs. OVG. Band 21
Nr. 97.