Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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entscheidende Bedeutung der Veranlagung hat denn auch OTTO 
MAYER! veranlaßt, einen Vergleich zwischen der Steuerschuld 
und der Strafschuld zu ziehen und parallele Züge in der Form 
bei ıhnen zu finden. Damit eine Strafschuld entsteht, muß 
das Urteil erlassen werden, auf Grund der Straftat allein entsteht 
sie nicht. Ebenso bedarf es, damit die Steuerschuld entsteht, erst 
der Veranlagung; auf Grund des Gesetzes allein kann die Steuer 
noch nicht gezahlt oder beansprucht werden. 
Aber trotz der formellen Verwandtschaft bleibt doch der große 
sachliche Gegensatz, daß die Steuerschuld aus der Zugehörigkeit 
zu der im Staat verbundenen menschlichen Gesellschaft entspringt 
und nicht, wie die Strafschuld, ihre Wurzel in einer im Wider- 
spruch mit den Anforderungen des gesellschaftlichen Zusammen- 
lebens begangenen Handlung hat. Das Strafurteil will nicht nur 
den Erlag des Strafbetrages oder das Abbüßen der Freiheitsstrafe, 
sondern es will auch die strafbare Gesinnung als solche brand- 
marken. Die Gesetzgebung kann jederzeit die Umwandlung? einer 
Veranlagungssteuer in eine Steuer ohne Veranlagung vornehmen 
und hat dies wiederholt getan°®?. Das ist lediglich eine Frage der 
technischen Ausgestaltung der Steuer. Im Strafrecht ist dagegen 
etwas derartiges ausgeschlossen. 
Zunächst ist die formell festgesetzte Schuld die maßgebende, 
auch wenn sie mit dem materiellen Recht im Widerspruch steht. 
Sie ist aber nicht so stark, daß sie gegenüber dem widersprechen- 
den materiellen Recht dauernd Bestand hätte. Das materielle 
Recht hat und behält eine selbständige Geltung °®. Während das 
5 Deutsches Verwaltungsrecht, 2. Aufl., I 335 f. 
52 Erst jüngst hat in Deutsch-Oesterreich die Ausdehnung der im 
Abzugswege einzuhebenden Rentensteuer mit Gesetz vom 6. Febr. 1919, 
betr. die Rentensteuer und die Kriegszuschläge für einen Teil der Renten- 
steuer die Beseitigung der Veranlagungen zur Folge gehabt. 
53 Daher kommt es auch zur Begründung der unbeschränkten Steuer- 
pflicht durch den Aufenthalt nicht darauf an, ob der Betreffende zur Zeit 
des Katasterabschlusses im Staatsgebiet verweilt, sondern überhaupt auf
	        
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