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Nach dem MStGB aber konnte Fryatt nicht mit dem Tode
bestraft werden. Nicht wegen Mordversuchs; denn der Mord-
versuch eines Ausländers im Ausland ist überhaupt nicht strafbar
($ 4 RStGB.). Nicht wegen Kriegsverrats ; denn Todesstrafe steht
nur auf vollendeter Zerstörung von Schiffen: Fryatt hatte aber
die Zerstörung des U-Bootes nur versucht. Folglich hätte Fryatt
nach SS 160, 58 Ziff. 1 MStGB., 90 Ziff. 2, 44 Abs. 2 RStGB.
höchstens mit 15 Jahren Zuchthaus bestraft werden dürfen.
Diese Bedenklichkeit eines Todesurteils gegen Franktireurs,
die sog. „Franktireurslücke“®, war bald nach Kriegsbeginn Gegen-
stand lebhafter Auseinandersetzungen'. Am 13. März 1915 hielt
Kriegsgerichtsrat Dr. Alfred FRIEDMANN in St. Quentin einen
Vortrag über „Kommandogewalt, Kriegsgebrauch und Strafgewalt“.
Der Vortrag wurde als Manuskript gedruckt: und an eine Reihe
von Straf-, Staats- und Völkerreehtslehrern mit der Bitte um
Aeußerung gesandt. Die eingegangenen Antworten verlas Kriegs-
gerichtsrat Dr. FRIEDMANN auf der Brüsseler Tagung richterlicher
Militärjustizbeamter am 18. Juli 1915 nach einem einleitenden
Vortrag. Den Schlußvortrag hielt Prof. Dr. Erich KAUFMANN®.
In den Gutachten und Vorträgen ließ man nichts unversucht,
um die Franktireurslücke zu beseitigen. Nur einige wenige Gut-
achter — BINDING, HEILBORN, LIEPMANN, V. LISZT, ZITELMANN
— verteidigten unbeirrt das Gesetz durch die Darlegung, daß die
tar z. MStGB., 3. Aufl. 1908, S. 226, 592; v. KrıEs, Z. f. d. ges. Straf-
rechtsw., VII, 1887, S. 611; Grimm, Arch. f. Militärrecht, VI, 1916, S. 60 ft.
Wohl auch TRIEPEL in den den Fall Fryatt vorabnenden Ausführungen in
der Z. f. Völkerrecht, VIII, 1914, S. 389 £.
6 RoMEn-RıssoM, Militärstrafgesetzbuch. 3. Aufl., 1918, S. 938.
” RoMEn-RıssoM, Militärstrafgerichtsordnung, 2. Aufl., 1918, S. 1018 ff.
Namentlich v. SCHLAYER, Deutsche Strafrechtszeitung, 1915, Sp. 7 ff., 408 ff.
® Aus der Tagung richterlicher Militärjustizbeamter in Brüssel am
17./18. Juli 1915. Zusammengestellt «urch Feld-Oberkriegsgerichtsrat
Willeke. (Nicht im Buchhandel.) Das Gutachten von J. GOLDSCHMIDT ist
in der 2. f. d. ges. Strafrechtswissenschaft, Bd. 37, 1916, S. 52 ff. erschienen.