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II. Die Ermessensfrage.
Fryatt durfte zum Tode verurteilt werden. Aber er mußte
nicht. Zunächst brauchte das Verfahren gegen ihn nicht eröffnet
zu werden; jedenfalls wird in der Ausländerverordnung die Strafver-
folgungspflicht, das sog. Legalitätsprinzip, nicht ausdrücklich aus-
gesprochen %. Dann ist die Todesstrafe nicht die einzige ange-
drohte Strafe. Nach $ 4 EG.z. RStGB. tritt die Todesstrafe nur
an die Stelle der lebenslänglichen Zuchthausstrafe. 8 88 RStGB.
droht aber neben der lebenslänglichen Zuchthausstrafe wahlweise
lebenslängliche Festungshaft an. Auch der Hinweis auf den Kriegs-
gebrauch in Ziff. 99 der Prisenordnung gewährt Wahlfreiheit
zwischen Todesstrafe und milderen Strafarten!!. Ferner war die
Schnelligkeit des Verfahrens in das pflichtmäßige Ermessen des
Feldgerichts gestellt; eine Vertagung zwecks Ladung eines weiteren
Verteidigers z. B. war also möglich, wenn auch nicht gesetzlich
notwendig. Endlich bestand auch für den Gerichtsherrn des
Marinekorps keine Nötigung zur Bestätigung des Urteils. Denn
die Ausländerverordnung hat die Prüfung des Befehlshabers nicht
auf die Rechts- und die Tatfrage beschränkt.
Ob von dem so gewährten freien Ermessen überall der rich-
tige Gebrauch gemacht wurde, läßt sich nur nach persönlichen
Ansichten, nicht nach Rechtsgrundsätzen entscheiden. Je nachdem
man auf die Gefährlichkeit des Tuns oder die Gesinnung des
Täters das größere Gewicht legt, wird man das Verfahren und
das Urteil billigen oder mißbilligen. Das Recht ist an der Ent-
scheidung der Frage nur insoweit beteiligt, als bei Handhabung
des Ermessens rechtsirrige oder gesetzwidrige Erwägungen mit-
unterlaufen sein können. Die wichtigsten denkbaren Fehler dieser
Art sind folgende:
10 Vgl. ROTERMUND, Die Kaiserlichen Verordnungen vom 28. Dezember
1899, 1916, 8. 36.
1! Vgl. Verf. d. Generalquartiermeisters v. 1. 5. 1915 Ziff. 1 (Dietz
Militärrechtspflege im Kriege, 1917, S. 42).