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tember 1917, in einer Zeit als das deutsche Volk noch eine maßgebende
Stimme im Rate der Völker zu behaupten schien (Frühjahr 1918), zu seinem
Teile dazu mitgeholfen hat, die öffentliche Meinung für das Prinzip der
Streitschlichtung durch Schiedssprüche zu gewinnen. Er macht das auf
eine orginelle Art. Der Deutsche, meint er, und das ist gewiß in beträcht-
lichem Umfange richtig, denkt geschichtlich. Wenn man ihm zeige, daß
eine Einrichtung von altersher im Zuge der deutschen Entwicklung liege,
so sei er schon zu einem guten Teile für die Sache gewonnen. Nun ist es
ja Tatsache, daß das Schiedsgericht in der deutschen Rechtsgeschichte eine
sehr bedeutende Rolle spielt. Die Streitschlichtung durch einen Schieds-
richter bildet einen Uebergang vom Faust- und Fehderecht zum staatlichen
Rechtsprechungszwang. Sie begleitet später die staatsrechtlich-politische
Entwicklung der deutschen Dinge vom Interregnum bis zu den Austrägal-
Instanzen des Deutschen Bundes. Sie hatte ihre letzte Stätte, nach Er-
ringung der nationalen Einheit, in den Zuständigkeiten des Bundesrats
aus Artikel 76 der Reichsverfassungsurkunde. So entrollt uns denn Verf.
in angenehmem Stile und verständigem Maßhaiten in der Darbietung von
Einzelheiten ein Bild dieser ganzen Entwicklung. Er stützt sich dabei — ohne
irgend den Anspruch selbständiger Auffassung zu erheben — in der Haupt-
sache aufein altes Buch von Leonhardi (das Austrägalverfahren des deutschen
Bundes 1838/45) und auf Gierke.
Man kann ja freilich einwenden (und sowohl der Verfasser im Schluß-
wort, wie ZORN in dem Vorwort, das er beigesteuert hat, lassen das durch-
blicken), daß alles darauf ankommt, ob und in welchem Grade die souveränen
Mächte sich als Glieder einer Genossenschaft fühlen und zu fühlen vermögen,
in der Recht und „Minne“ eine Stätte haben und berufen sind, die erbar-
mungslose Selbstbehauptung zu verdrängen, und daß, wann erst dieser Ge-
nossenschaftsgedanke die internationale Welt ergriffen habe, seine Bewahrung
und Verbürgung mindestens durch Schiedsgerichtbarkeit, wenn nicht noch
festere Verknüpfungen, etwas selbstverständliches sei, das keiner großen
historischen Ableitung bedürfe. Aber dem Publizisten ist es Recht und Pflicht,
auch das Selbstverständliche zu wiederholen und allseitig zu beleuchten,
und als Publizistik, nicht als Forschungsergebnis ist das Büchlein zu würdigen.
Thoma.
v. Keller-Trautmann. Kommentar zum Reichs- und Staats-
angehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913. München 1914,
C. H. Becksche Verlagsbuchhandlung, Oskar Beck.
Seit dem Erscheinen des Werkes sind über vier Jahre verflossen. Die
Ereignisse dieser Zeitspanne haben das Öffentliche Recht dieses Landes in
seinen Grundfesten erschüttert, zum Teil schon grundlegend umgestaltet.
Zwar ist zunächst durch ausdrückliche Verordnung an dem bestehenden
Rechtszustand des: jungen Gesetzes nichts geändert. Aber es kann nicht