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verlassen hat, in jeder Weise als Ausländer zu behandeln sei. Die An-
wendung zivilrechtlicher Begriffe ist in den meisten Fällen schief und
scheitert an den besonderen, von wesentlich anderen Gesichtspunkten aus
zu beurteilenden öffentlich-rechtlichen Verhältnissen. Die Auffassung der
Resolutivbedingung in diesem Falle ist zunächst um deswillen nicht
glücklich, weil sie eine reine Potestativbedingung wäre, da sie ledig-
lich von dem Willen des Entlassenen abhängt. Da dies offensichtlich auch
nach dem Sinne des Gesetzestextes der Fall sein soll, wobei ich ganz
außer Acht lasse, ob der Zweck der Bestimmung die Verhinderung der
Scheinauswanderung oder die Möglichkeit einer Reuefrist ist, kann während
dieser Frist von einem Jahre unmöglich eine Ausweisung als lästiger Aus-
länder erfolgen. Wäre dies möglich, so wäre auch die Untersagung. der
Zuwanderung während des Jahres, falls der Entlassene wieder zurückkehren
möchte, möglich wie bei jedem Ausländer. Wie sollte dann der Eintlassene,
der ja als „Ausländer“ auch keinerlei Rechtsansprüche aus dem Gesetz
ableiten kann, überhaupt die ihm durch das Gesetz eröffnete Möglichkeit
der Erhaltung seiner Staatsangehörigkeit verwirklichen? Wenn man die
Entstehungsgeschichte dieses Paragraphen berücksichtigt, kann es nicht
zweifelhaft sein, daß die von K.-Tr. vertretene Auffassung nicht haltbar
ist. Die entsprechende frühere Bestimmung besagte, daß die Entlassung
als nicht erfolgt gelten solle, wenn der Entlassene nicht seinen Wohnsitz
verlegt. Die jetzige Fassung sollte nach den bei den Beratungen ausdrück-
lich erfolgten Feststellungen eine Erweiterung der durch die bisherige
Fassung gegebenen Möglichkeit bedeuten. Es muß daher die Auffassung
vertreten werden, daß vor der Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland der
Entlassene im Sinne des Staatsangehörigkeitsgesetzes als Inländer zu be-
trachten ist.
Widerspruch fordert auch die Auslegung des $ 9. K.-Tr. vertritt den
Standpunkt, daß die Verletzung der Vorschrift, wonach vor der Einbür-
gung durch einen Bundesstaat der Reichskanzler formell festgestellt
haben muß, daß keiner der übrigen Bundesstaaten Bedenken. gegen die
Einbürgung hat, kein absoluter Nichtigkeitsgrund ist. Ich hatte in Ueber-
einstimmung mit SEYDEL-PILOTY in einem Aufsatz (Archiv Bd. 32, Jahr-
gang 1914, S. 22 ff.) die entgegengesetzte Ansicht vertreten und muß diese
nach erneuter Prüfung aufrecht erhalten. K.-Tr. kommt zu seiner Ansicht
im wesentlichen, wei! er die Einbürgung für einen einseitigen verwaltungs-
rechtlichen Hoheitsakt hält und diesem durch die formale Urkunde in
Erscheinung tretenden Akt eine m. E. übertriebene Bedeutung beilegt. Es
soll nicht verkannt werden, daß bei der Bedeutung des durch die Urkunde
verbrieften Rechtsvorgangs als Grundsatz festgehalten werden muß, daß
nicht jede Verletzung von’ Vorschriften mit der Folge der Nichtigkeit aus-
gestattet sein kann. Die Untersuchung läuft letzten Endes auf eine Wer-
tung der verletzten Vorschrift hinaus. Dabei ist es nicht angängig, die