Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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verlassen hat, in jeder Weise als Ausländer zu behandeln sei. Die An- 
wendung zivilrechtlicher Begriffe ist in den meisten Fällen schief und 
scheitert an den besonderen, von wesentlich anderen Gesichtspunkten aus 
zu beurteilenden öffentlich-rechtlichen Verhältnissen. Die Auffassung der 
Resolutivbedingung in diesem Falle ist zunächst um deswillen nicht 
glücklich, weil sie eine reine Potestativbedingung wäre, da sie ledig- 
lich von dem Willen des Entlassenen abhängt. Da dies offensichtlich auch 
nach dem Sinne des Gesetzestextes der Fall sein soll, wobei ich ganz 
außer Acht lasse, ob der Zweck der Bestimmung die Verhinderung der 
Scheinauswanderung oder die Möglichkeit einer Reuefrist ist, kann während 
dieser Frist von einem Jahre unmöglich eine Ausweisung als lästiger Aus- 
länder erfolgen. Wäre dies möglich, so wäre auch die Untersagung. der 
Zuwanderung während des Jahres, falls der Entlassene wieder zurückkehren 
möchte, möglich wie bei jedem Ausländer. Wie sollte dann der Eintlassene, 
der ja als „Ausländer“ auch keinerlei Rechtsansprüche aus dem Gesetz 
ableiten kann, überhaupt die ihm durch das Gesetz eröffnete Möglichkeit 
der Erhaltung seiner Staatsangehörigkeit verwirklichen? Wenn man die 
Entstehungsgeschichte dieses Paragraphen berücksichtigt, kann es nicht 
zweifelhaft sein, daß die von K.-Tr. vertretene Auffassung nicht haltbar 
ist. Die entsprechende frühere Bestimmung besagte, daß die Entlassung 
als nicht erfolgt gelten solle, wenn der Entlassene nicht seinen Wohnsitz 
verlegt. Die jetzige Fassung sollte nach den bei den Beratungen ausdrück- 
lich erfolgten Feststellungen eine Erweiterung der durch die bisherige 
Fassung gegebenen Möglichkeit bedeuten. Es muß daher die Auffassung 
vertreten werden, daß vor der Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland der 
Entlassene im Sinne des Staatsangehörigkeitsgesetzes als Inländer zu be- 
trachten ist. 
Widerspruch fordert auch die Auslegung des $ 9. K.-Tr. vertritt den 
Standpunkt, daß die Verletzung der Vorschrift, wonach vor der Einbür- 
gung durch einen Bundesstaat der Reichskanzler formell festgestellt 
haben muß, daß keiner der übrigen Bundesstaaten Bedenken. gegen die 
Einbürgung hat, kein absoluter Nichtigkeitsgrund ist. Ich hatte in Ueber- 
einstimmung mit SEYDEL-PILOTY in einem Aufsatz (Archiv Bd. 32, Jahr- 
gang 1914, S. 22 ff.) die entgegengesetzte Ansicht vertreten und muß diese 
nach erneuter Prüfung aufrecht erhalten. K.-Tr. kommt zu seiner Ansicht 
im wesentlichen, wei! er die Einbürgung für einen einseitigen verwaltungs- 
rechtlichen Hoheitsakt hält und diesem durch die formale Urkunde in 
Erscheinung tretenden Akt eine m. E. übertriebene Bedeutung beilegt. Es 
soll nicht verkannt werden, daß bei der Bedeutung des durch die Urkunde 
verbrieften Rechtsvorgangs als Grundsatz festgehalten werden muß, daß 
nicht jede Verletzung von’ Vorschriften mit der Folge der Nichtigkeit aus- 
gestattet sein kann. Die Untersuchung läuft letzten Endes auf eine Wer- 
tung der verletzten Vorschrift hinaus. Dabei ist es nicht angängig, die
	        
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