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Herrschaftsmacht bedeutet, daß der Staatswille aber nicht in jeder
beliebigen Form die Fähigkeit hat, von seiner Herrschaftsmacht
Gebrauch zu machen, sondern daß hierzu eine bestimmte Form,
die des Gesetzes, besonders und an sich ausschließlich berufen
ist. Die in Form des Gesetzes ergehende staatliche Willensäuße-
rung hat Eigenschaften, Fähigkeiten, die andere Arten staatlicher
Willensäußerung nicht von selbst haben, insbesondere die Fähig-
keit, Rechtssätze zu schaffen und Eingriffe in Freiheit und Eigen-
tum der Bürger zu machen.
Allerdings kann das Gesetz die Fähigkeiten, die es aus-
zeichnen, auf andere staatliche Willensäußerungen übertragen,
auch die letzterwähnten Fähigkeiten, Eingriffe in die Freiheits-
sphäre des Bürgers zu machen und Rechtssätze aufzustellen. Man
spricht dann von einer Delegalion der gesetzgebenden Gewalt, die
an unmittelbare Staatsorgane wie Behörden ergeht, um eine größere
Beweglichkeit oder eine Entlastung des Gesetzes von Einzelbe-
stimmungen oder die Möglichkeit der Berücksichtigung lokaler
Verschiedenheiten herbeizuführen. Es kommt so zu Verordnungen
und autonomen Satzungen, die Rechtssätze nicht in Form des
Gesetzes enthalten, das eine Mal aufgestellt vom Staate, das andere
Mal durch eine dem Staat untergeordnete öffentliche juristische
Person.
Immer sind aber im Rechtsstaat Verordnung wie autonome
Satzung grundsätzlich als Ausnahmen gedacht gegenüber der regel-
mäßigen Form des Gesetzes für Rechtssätze und Eingriffe. Wenn
der Gesetzgeber seine Macht auf andere Stellen überträgt, so liegt
es in der Idee des Rechtsstaates, daß die „Delegation der gesetz-
gebenden Gewalt“ auf den einzelnen Fall zugeschnitten wird
— sog. besonders ermächtigte Verordnungen. Zu allgemeinen,
d. h. im voraus eine größere Gruppe von Fällen umfassenden
Delegationen der gesetzgebenden Gewalt wird der Gesetzgeber nur
mit großer Vorsicht vorschreiten dürfen, will er nicht den Sinn des
Rechtsstaates verkehren und seine Grundlagen untergraben.