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Die erste Kammer solle die mehr stetige. die zweite die mehr
wechselnde Volksmeinung vertreten, aber keineswegs die erste
Kammer andere Volkselemente als die zweite.
Ein solcher Ausschußantrag pflegt nun in Schweden beiden
Kammern gleichzeitig zuzugehen, so daß jede Kammer. unbeein-
flußt von der anderen. über die Vorlage beraten und beschließen
kann. So geschah es auch hier. Sonnabend. den 8. Juni 1918
wurde in beiden Kammern über die Reform des Gemeindewahl-
rechtes verhandelt. Die erste Kammer lehnte die Vorlage mit
70 gegen 50 Stimmen ab. die zweite nahm sie mit 122 gegen
50 Stimmen an.
In der ersten Kammer bestritt der Abgeordnete Trygger von
der Rechten. daß das Gemeindewahlreeht überhaupt mit Persön-
lichkeitsprinzipien zu tun habe. Denn lasse das Persönlichkeits-
prinzip es zu, das Wahlrecht überhaupt v4n der Steuerpflicht ab-
hängig zu machen. so sei es auch mit'dem mehrstufigen Stimm-
rechte vereinbar. Die Hauptsache sei, dem tüchtigen schwedischen
Bauernstande seinen Einfluß zu bewahren. Der werde aber durch
das gleiche Stimmrecht erdrückt. Nicht um die Behauptung der
Macht der Rechten handle es sich, aber man dürfe sich auch auf
keine Abenteuer einlassen, um das Machtbegehren einzelner Klassen
und Personen zu befriedigen. Es sei eine eigentümliche Er-
scheinung. je tiefer man in die Klassen der Wahlberechtigten
herabsteige.e um so weniger nähmen sie Teil an den Gemeinde-
wahlen. Mit dem gleichen Wahlrecht sei man übrigens noch
nicht am Ziele, dahinter laure das sozialistische allgemeine Wahl-
recht, unabhängig von der Steuerzahlung. Die Gemeinde sei ge-
wiß keine Erwerbsgesellschaft, aber die Hauptaufgaben der Ge-
meinde lägen auf wirtschaftlichem Gebiete. Das ungleiche Wahl-
recht schaffe auch keinen Gegensatz zwischen den beiden Kammern.
dieser Gegensatz beruhe vielmehr auf den verschiedenen Aufgaben
der beiden Kammern, die erste Kammer sei eben ein Korrektiv
für die zweite.