Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

Reform vorläufig unmöglich geworden. Es fragt sich nun. was 
ihr weiteres Schicksal sein wird. 
Der König kann den Reichstag auflösen und befehlen, daß 
im ganzen Lande Neuwahlen entweder für eine oder für beide 
Kammern stattfinden. Die zweite Kammer ist nun aber eben erst 
im Herbst 1917 neu gewählt worden. sie hat überdies die Re- 
gierungsvorlage angenommen. Die Regierung hat also keinen 
Anlaß, dem Könige die Auflösung der zweiten Kammer anzuraten. 
So bliebe nur die Auflösung der ersten Kammer allein. Sie würde 
aber, so lange das Gemeindewahlrecht nicht abgeändert ist, keine 
andere Zusammensetzung ergeben. So bewegt man sich im Kreis- 
laufe. Eine Auflösung führt nicht weiter. 
Man muß abwarten. Die Verhandlungen haben ergeben, daß 
die Rechte sich keineswegs auf das vierzigstufige Stimmrecht 
versteift, sie will Zugeständnisse machen nur nicht bis zur Grenze 
des gleichen Stimmrechtes, aber bis zu der eines vereinfachten 
Mehrstimmrechtes nach Steuerleistung und Tüchtigkeit. Anderer- 
seits will die liberale Linke keineswegs das allgemeine Stimm- 
recht. das sie selbst verschlingen würde. sondern will die Steuer- 
pflicht als Bedingung des Gemeindestimmrechtes erhalten wissen. 
Daß also die Liberalen sich zum sozialdemokratischen Programm 
bekehren. und die Vorlage ın verschärfter Form wiederkommt. 
wie die Sozialdemokraten drohen, ist sehr unwahrscheinlich. Man 
wird vielleicht einen Ausgleich zwischen liberaler und konserva- 
tiver Anschauung zu gewinnen suchen, wie die dermalige Vorlage 
ein Ausgleich zwischen Liberalen und Sozialdemokraten war. 
Vorläufig ist jedenfalls die Gemeindewahlreform erledigt, es 
bleibt alles heim alten. Aber der Versuch bietet manches Be- 
lehrende.
	        
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