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legen, die Art der Lückenausfüllung beeinflussen, auch „Verfas-
sungswandlungen ohne Verfassungsänderungen“ (G. JELLINEK)
bewirken können.
So allein gewinnen wir ja auch die Erklärung dafür, daß
Verfassungen, die äußerlich stark aneinander angelehnt sind, doch
ganz verschieden gewirkt haben. Das schlagendste Beispiel hier-
für bildet die preußische Verfassung im Vergleich mit der belgi-
schen. Trotz der starken Anlehnung der preußischen Verfassung
an die belgische! sind die beiden doch geradezu die Gegenpole unter
den festländischen monarchisch-konstitutionellen Verfassungen ge-
worden. Auch bei den Verfassungen der deutschen Einzelstaaten
war, obwohl sie alle demselben Typ angehörten, für Entfaltung
von Eigenart Raum genug gelassen. Wir können allerdings
wohl nur die Mittelstaaten in ihrer Entwicklung mit Preußen
wenigstens einigermaßen vergleichen. Unter ihnen aber stellt in
der Ausgestaltung seines öffentlichen Rechts Württemberg den
größten Gegensatz zu Preußen dar. Die Eigenart dieses Landes.
von der schon viel geschrieben worden ist?, hat in der Tat auch
ın der rechtlichen Ausgestaltung der Staatsgewalt in manchen Be-
ziehungen zu besonderen Bildungen geführt und da diese noch
nirgends rechtsvergleichend gewürdigt worden sind, so soll aus
Anlaß des 100jährigen Gedenktages seiner Verfassung von 1819
ein Versuch hierzu gemacht werden. Er beschränkt sich auf
einiges besonders Wichtige.und kann kein abgerundetes Bild er-
geben, soll vielmehr nur einen Beitrag zur vergleichenden Ver-
fassungsgeschichte der deutschen Einzelstaaten im 19. Jahrhundert
die der Geschichtsschreibung noch so viele Aufgaben bietet? und
Am
ı Vgl. SMEND, Die preuß. Verfassungsurkunde im Vergleich mit der
belgischen, 1904.
? Vgl. neuerdings ApoLr Rapp, Die Ausbildung der württembergischen
Kigenart, Archiv für Kulturgeschichte, Band 11, S. 196 ff.
? Eine eingehende ‚Darstellung vom staatsrechtlichen Standpunkt aus
fehlt noch durchaus.. Es.muß, was die juristischen Werke betrifft, .auf die
knappen diesbezüglichen Ausführungen in den Lehrbüchern. der Rechts-