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Stelle trat dann im Jahre 1878 das Oberverwaltungsgericht, nach-
dem nicht ohne erhebliche Kämpfe und nicht ohne eine wichtige
Einsehränkung das Reichsgerichtsverfassungsgesetz die Möglichkeit
der Verweisung dieser Vorfrage an besondere Gerichte aufrecht
erhalten hatte. Von dieser Möglichkeit haben in der Folge dann
auch Bayern und Baden Gebrauch gemacht, Württemberg dagegen
bemerkenswerterweise nicht, und man hat dort in dieser Beziehung,
weil eben Fälle dieser Art überhaupt kaum vorkamen, bis heute
auch keine Lücke empfunden.
Noch eine andere, die Stellung der Beamten berührende Be-
stimmung ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, die in der
Verfassung selbst steht. Die schwierige Frage, wie weit der
Staatsbeamte verpflichtet sein soll, gegen das Recht verstoßende
Befehle seiner Vorgesetzten auszuführen und überhaupt die Recht-
mäßigkeit solcher Befehle zu prüfen, ist im allgemeinen in den
Gesetzen der deutschen Staaten und von der Rechtsauslegung dahin
beantwortet, daß der Beamte nur die formelle Gültigkeit der ıhm
erteilten Befehle, also nur das zu prüfen habe, ob sie von der
für ihren Erlaß zuständigen Stelle und in ordnungsmäßiger Form
ergangen sind, daß seine Gehorsamspflicht andere als diese Schran-
ken aber nicht kenne?. Württemberg ging im Interesse des Schutzes
der Untertanen wenigstens einen kleinen Schritt weiter: der Be-
amte hatte auch, wenn er „bei dem Inhalt einer höheren Ver-
fügung Anstände findet, solche auf geziemende Weise und unter
Vermeidung jeder nachteiligen Verzögerung der verfügenden Stelle
vorzutragen“, dann allerdings, wenn diese auf ihrer Verfügung
beharrt, mußte er sie ausführen; ähnlich die Regelung in Sachsen
und Hessen ($ 53 Verf.Urk.). Die Tendenz der Abschwächung
’ Die Frage war umstritten; vgl. die Darstellung bei MEYER-AnsCHÜTZ
(7. Aufl S. 593), der das Prüfungsrecht des Beamten noch etwas mehr
einschränken wollte. Vgl. ferner HEILBORN, Die Pflicht des preuß. und
des Reichsbeamten zur Befolgung rechtswidriger Dienstbefehle, Festschrift
IERKE 1911, 125 ff.