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Entscheidung gebracht worden; man konnte überhaupt von einem
freundnachbarschaftlichen Verhältnis zwischen Justiz und Verwal-
tung in Württemberg sprechen. In Preußen dagegen war ständig
die Anrufung der Zivilgerichte gegen die Verwaltung überaus
häufig; sie hatte oftmalige Erhebung nicht nur jenes besonderen,
oben erwähnten Konflikts, sondern auch des Kompetenzkonflikts
zur Folge, ohne daß übrigens die daraufhin ergehende Recht-
sprechung des preußischen Kompetenzkonfliktshofs zur Klärung
auch nur der obersten Grenzfragen geführt hätte, und die Folge
war jedenfalls ein dauernder Kriegszustand zwischen Justiz und
Verwaltung. Die Beziehungen zwischen diesen beiden Gewalten
aber sind stets ein wichtiges Kennzeichen für das Funktionieren
der ganzen Staatsgewalt.
Wenn man an die württembergischen Rechtseinrichtungen den
Maßstab des rechtsstaatlichen Ideals anlegte, so konnte man nach
dem Ausgeführten kein ganz einheitliches, und wenn man jenes
Ideal ganz nach preußischen Vorstellungen bildete, konnte man
leicht ein falsches Bild gewinnen. Neben wirklichem Zurück-
bleiben in dem einen oder anderen Punkt gab es manche Be-
sonderheiten im württembergischen Recht, die nur scheinbar einen
Nachteil bedeuteten. Dahin gehört außer den erwähnten Punkten
2. B. auch der, daß die Verwaltungs-, und namentlich auch die
Polizeibehörden in Württemberg eine erheblich höhere Strafge-
walt hatten als in Preußen (bis 150 Mk. gegen dort nur 30 Mk.,
Art. 9 Pol.Straf.Verf. Ges. v. 1879/1898). Wer weiß, daß
jene Beschränkung in Preußen das Ergebnis langen Strebens der
freiheitlichen Parteien gewesen ist, der könnte in dem Rechtszu-
stand in Württemberg leicht eine Rückständigkeit erblicken, und
solche Urteile hat man auch in der Tat gehört. In Wirklichkeit
lag die Sache so, daß in Württemberg das einfachere, für den
Betroffenen weniger lästige und mit viel geringeren Kosten ver-
bundene Verwaltungsstrafverfahren in größerem Umfang bestehen