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bleiben konnte, weil die Gefahr politischen Mißbrauchs dieser
Strafgewalt durch die Verwaltungsbehörden hier nicht vorlag.
Schließen wir damit diese Skizzierung. Um ein volles Bild
von der Eigenart des ganzen staatlichen Lebens in Württemberg
zu gewinnen, bedürfte sie ja noch der Ergänzung in den manniv-
fachsten Richtungen: namentlich durch Einbeziehung der partei-
politischen Geschichte und durch Darstellung der materiellen Ver-
waltungsgesetzgebung. Letztere würde vor allem zu zeigen haben,
welche Auffassung von der Stellung des Staates im Wirtschafts-
leben sich in Württemberg durchgesetzt hat, und sie würde dabei
von einem erheblichen Unterschied gegenüber Preußens zu be-
richten haben: der wirtschaftliche Individualismus ist in Würt-
temberg viel weniger weit vorgedrungen, die Einmischung des
Staates ins Wirtschaffsleben war hier im ganzen 19. Jahrhundert
stark (daher z.B. von Anfang an Staatsbahnen), und deshalb war
auch die Ueberleitung in die neue sozialpolitische Epoche in den
70er Jahren für Württemberg gar nichts grundsätzlich Neues "*.
Doch muß ich es mir versagen, hierauf näher einzugehen, die
vorstehenden Ausführungen sollten sich ja auf die rechtlichen Er-
scheinungsformen der Staatsgewalt beschränken.
Sie haben ergeben, daß von einer Eigenart Württembergs in
ihrer Ausgestaltung wohl gesprochen werden kann, einer Eigen-
art, die für die Konstruktion des deutschen Staatsgedankens
mehr berücksichtigt zu werden verdient als es bis jetzt geschieht.
Wenn man im allgemeinen die deutsche Staatsidee als Vereinigung
der Genossenschaftsidee mit der Herrschaftsidee bezeichnet hat !#,
ı5 Vgl. über diese Entwickelung u. a. L. KÖHLER, Die Entwickelung
der Gewerbepolitik in Württemberg im 19. Jahrhundert 1891. Für die Ent-
wickelung in den letzten 25 Jahren ist zu verweisen auf das Sammelwerk
Württemberg unter der Regierung König Wilhelms Il., herausgegeben von
V. Bruns, Stuttgart 1916, namentlich die Beiträge von EGELHAAF (Die
allgem. Entwickelung), v. BLUME (Staatsverfassung) und MICHEL (Staats-
und Körperschaftsverwaltung).
ie So namentlich GIERCKE. Vgl. jetzt WOLZENDORFF, Vom deutschen
Staat und seinem Recht 1917 101 ff.