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begriffs sein wollen, also das Land mit Leuten, vertreten durch
seine Regierung, bedeuten. Es gibt aber zweifellos Fälle, für die
sich die Bezeichnung doch nur auf die Vertretung durch die in
Betracht kommenden Landesorgane zuspitzt; unverkennbar ist es
dort, wo das Land zu seiner Bevölkerung oder zu seinen eigenen
Landesteilen in Gegensatz gebracht wird. wie einerseits im Ar-
tikel 18 bei Gebietsveränderungen, andererseits durch die im Ar-
tikel 63 vorgesehene Vertretung der preußischen Provinzialver-
waltungen im Reichsrat. Ein Weg, der durch das neue preußische
Gesetz über die Erweiterung der Selbständigkeitsrechte der Pro-
vinzialverbände fortgesetzt wird. Beides muß zur weiteren Zer-
setzung des bisherigen Gliedstaatsbegriffes beitragen, der doch
in mancher anderen Beziebung selbst sprachlich immer wieder
hervorbricht, ohne daß sich überall bestimmen ließe, ob Hast
oder Absicht der Grund sind.
Wohl am wenigsten hilft dem Gliedstaatlichen diese Vor-
dringlichkeit im grundlegenden Artikel 5, der eher zum Schaden
der Sonderstaatlichkeit der einzelnen Teile eine Ausübung der
Staatsgewalt in Reichsangelegenheiten von jener in Landes-
angelegenheiten unterscheidet. Auch in dieser endgültigen Fas-
sung könnten die Gliedstaaten, wie TRIEPEL es ausdrückt, als
Delegatare der gemeindeutschen Nationalsouveränität aufgefaßt
werden®. Weit günstiger ist dagegen dem Einzelstaatsbegriff der
Artikel 110, der — zum Unterschiede, ja in gewissem Gegensatze
zu Artikel 6, wo die Staatsangehörigkeit offenbar tür im Hin-
blicke auf die Reichszugehörigkeit der ausschließlichen Gesetz-
gebung des Reiches zugewiesen ist, — „von einer Staatsange-
hörigkeit im Reiche und in den Ländern“ spricht, was auch sprach-
lich des letzten Schliffes entbehrt. Einen besonderen Schutz findet
diese „Staatlichkeit“ der Länder in sprachlichen Ueberl:eferungen
und daher mit Vorliebe in grundrechtlichen oder ihnen nahe ver-
wandten Bestimmungen sowie in gewissen grundsätzlichen Vor-
s A. a. 0. S. 72 (476).