— 403 —
nicht hinwegzukommen vermochte! Was ANSCHÜTZ später unter
dem Eindrucke der Denkschrift davon abbrachte, die plebiszitäre
Präsidentschaft mit der unbedingt zu erstrebenden und in ihrer
Wirksamkeit zu sichernden parlamentarischen Regierungsform für
unvereinbar zu halten 1, spricht nur die leidige Sonderrücksicht
aus, die zwei Wünsche zu Eltern eines schiefen Gedankens machte.
Die volle Unabhängigkeit des ganzen Regierungsapparates vom
Parlamente war im Deutschen Reiche durch die Macht der Ueber-
lieferung und wohl auch der Tatsachen ausgeschlossen. Der
deutsche Reichspräsident konnte seine Geschäfte nur durch eine
verantwortliche Reichsregierung führen. Soweit dieses Postulat
in Frage kam, — es war mit der Frage der Reichstagsherrschaft
gleichbedeutend — mußte jede andere Rücksicht zurückstehen.
Jede strengere Gewaltentrennung hatte der obrigkeitliche Verfas-
sungsstaat zu verdächtig gemacht. Eine Drachensaat von Miß-
trauen war zurückgeblieben, welche zeigt, daß der Anwert einer
solchen Gewaltentrennung in Deutschland nicht größer ist als im
Heimatlande MONTESQUIEUs. Doch wollte und konnte man auch
die Volkswahl nicht aufgeben als Stärkung des Präsidenten und
als Folge des Einkammersystems. Somit war alles Herrschaftlich-
Autoritäre, das man dem Reichspräsidenten — zumal zur Ent-
stehungszeit der neuen Reichsverfassung — von Herzen und im
Uebermaß gegönnt hätte, bis auf den amerikanischen Ausgangs-
punkt, der aus den gewaltigen gönossenschaftlichen Unterlagen
der gesamten Volksgemeinschaft ganz andere Akzente herrschaft-
licher Funktionsausübung hervorgeholt hätte, bestenfalls doch nur
im Ausmaß des französischen Systems vollziehbar. Auch dort galt
es einst, den Präsidenten der neuen Republik mit ganz ähnlichen
Wünschen in wesentliche Befugnisse des monarchischen Vorgängers
einzusetzen. Auch dort hatte man aus dem Bedürfnis nach einem
starken Präsidenten, um 'seine Stellung nicht mehr zu verküm-
mern als es die geänderte Staatsform verlangte, an ein republi-
ı8 D. JZ. 1919, S. 204. 97%