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schaft aus eigenen Stücken weitergeben konnte. Nach strengem
Recht ein revolutionärer Akt und nach der Stelle, von der er aus-
ging, ein Staatsstreich oder eine Palastrevolution, hatte dieser $inn-
fällige Vorgang gleichwohl für das eigentliche politische Kräfte-
verhältnis zwischen den beiden obersten Faktoren der Reichslei-
tung und damit für den eigentlichen politischen Schwerpunkt seine
große Symptomatische Bedeutung, an welcher auch die Konstruk-
tion des in der Republik wiederkehrenden Zweimännersystems
nicht achtlos vorbeigehen durfte.
In der Tat hat hier die Reichsverfassung in folgerichtiger
Nachahmung des französischen Musters, wo allerdings das ganze
Kabinett zur Vertretung des Staatshaupts berufen ist, die nötigen
Folgerungen gezogen und in Verhinderung des Reichspräsidenten
mit dessen Vertretung den Reichskanzler betraut (Art. 5l). Was
sich in den Tagen des Umsturzes ungeordnet und von selbst an-
babnte, hat jetzt nach fester Regel vor sich zu gehen und darf in
beiden Fällen für den augenfälligsten Ausdruck eines Duumvirats
gelten, in dem der Reichspräsident, so lange er den im Reichstage
richtunggebenden Kreisen politisch nahesteht, keine allzu unter-
geordnete Rolle spielen kann oder muß.
‘So lange er diesen Kreisen nahesteht, werden wohl die mei-
sten seiner Befugnisse — namentlich als Sperrvorrichtung — guten
Dienst tun und für seine Machtfülle Zeugnis legen; sogar das
konstruktiv gewagteste dieser Rechte, der aus der Zeugkammer
des verbliehenen Kaisertums herüber bemühte Blitz der Reichs-
tagsauflösung (Art. 25) als das äußerste, aber auch zeit- und
systemwidrigste Zugeständnis an die herrschaftliche Behandlung
des Reichspräsidenten muß dann nicht unbedingt geduldiges Pa-
pier bleiben. Ist der Reichstag alt und der Reichspräsident neu,
was infolge des Auseinanderfallens der Funktionsperioden zeitweise
programmäßig eintreten muß, so ‚kann die Auflösung ein ganz
probates Mittel werden, das die Verfassung selbst vorschreibt, im
bezeichnenden Falle der Ablehnung der Absetzung des Präsiden-