Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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schaft aus eigenen Stücken weitergeben konnte. Nach strengem 
Recht ein revolutionärer Akt und nach der Stelle, von der er aus- 
ging, ein Staatsstreich oder eine Palastrevolution, hatte dieser $inn- 
fällige Vorgang gleichwohl für das eigentliche politische Kräfte- 
verhältnis zwischen den beiden obersten Faktoren der Reichslei- 
tung und damit für den eigentlichen politischen Schwerpunkt seine 
große Symptomatische Bedeutung, an welcher auch die Konstruk- 
tion des in der Republik wiederkehrenden Zweimännersystems 
nicht achtlos vorbeigehen durfte. 
In der Tat hat hier die Reichsverfassung in folgerichtiger 
Nachahmung des französischen Musters, wo allerdings das ganze 
Kabinett zur Vertretung des Staatshaupts berufen ist, die nötigen 
Folgerungen gezogen und in Verhinderung des Reichspräsidenten 
mit dessen Vertretung den Reichskanzler betraut (Art. 5l). Was 
sich in den Tagen des Umsturzes ungeordnet und von selbst an- 
babnte, hat jetzt nach fester Regel vor sich zu gehen und darf in 
beiden Fällen für den augenfälligsten Ausdruck eines Duumvirats 
gelten, in dem der Reichspräsident, so lange er den im Reichstage 
richtunggebenden Kreisen politisch nahesteht, keine allzu unter- 
geordnete Rolle spielen kann oder muß. 
‘So lange er diesen Kreisen nahesteht, werden wohl die mei- 
sten seiner Befugnisse — namentlich als Sperrvorrichtung — guten 
Dienst tun und für seine Machtfülle Zeugnis legen; sogar das 
konstruktiv gewagteste dieser Rechte, der aus der Zeugkammer 
des verbliehenen Kaisertums herüber bemühte Blitz der Reichs- 
tagsauflösung (Art. 25) als das äußerste, aber auch zeit- und 
systemwidrigste Zugeständnis an die herrschaftliche Behandlung 
des Reichspräsidenten muß dann nicht unbedingt geduldiges Pa- 
pier bleiben. Ist der Reichstag alt und der Reichspräsident neu, 
was infolge des Auseinanderfallens der Funktionsperioden zeitweise 
programmäßig eintreten muß, so ‚kann die Auflösung ein ganz 
probates Mittel werden, das die Verfassung selbst vorschreibt, im 
bezeichnenden Falle der Ablehnung der Absetzung des Präsiden-
	        
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