Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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schaftlichen Ueberordnung des Reichspräsidenten nach den von uns 
zugrundegelegten dogmatischen Voraussetzungen nicht unvereinbar 
ist, aber immerhin vom gewollten Konzepte der Reichsverfassung 
weit wegführt. Zweitens, daß die vorgesehene Absetzungsmöglichkeit 
offenbar den weitgehenden Rechten des Reichspräsidenten gerade im 
Falle tiefgehender Meinungsverschiedenheiten ein politisches Paroli 
bangen soll, wozu eben am meisten Anlaß sein dürfte, wenn ein 
neu zusammengesetzter Reichstag einen unnachgiebigen, hartum- 
rissenen Vertreter der früheren Richtung als Reichspräsidenten 
vorfindet. Dann muß der Mangel einer positiven unmittelbaren 
Wechselbeziehung zwischen den Wahlzeiten am störendsten wirken, 
so daß die Verfassung wenigstens mittelbar selbst dafür sorgen 
muß, daß die Wahl des Reichspräsidenten und die des Reichs- 
tages in zeitliche Uebereinstimmung gebracht wird, sei es durch 
Wahl eines neuen Reichspräsidenten oder eines neuen Hauses, sei 
es in der Weise, daß der seinerzeit gewählte noch am Ruder be- 
findliche Reichspräsident im Schach gehalten wird. Die Auflösung 
dient dem neuen Staatspräsidenten, die Absetzung dem neuen Hause, 
ist aber weit allegorischer gedacht als jene. Durch solche Gegen- 
mittel verflüchtigt sich aber der Vorzug der Anciennität, welche 
der Reichspräsident aus seiner langen über die Wahlperiode des 
Reichstags hinaus währende Amtszeit gewinnen sollte; hier schlägt 
eine Bestimmung der anderen ins Gesicht, entweder weil doch das 
rechte Vertrauen zu dieser verlängerten Autorität des republika- 
nischen Staatshauptes fehlte oder auch deshalb, weil sie in dem 
Augenblicke vergessen war, als es galt, die Rechte des Reichs- 
tags als die des wahren Lieblings der Verfassung wahrzunehmen, 
dessen Schutz ihr weit ernstlicher am Herzen lag als der des 
Reichspräsidenten. 
Daß die Rücksicht auf die gehobene Würde des Reichspräsi- 
denten überall zurücktritt, wo es sich um die Rechte des Reichs- 
tags handelt, und daß jene nicht zu den wirksamsten Triebkräften 
der Verfassung gehört, daß es vielmehr geradezu in ihrer Absicht
	        
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