— 414 —
liegt, auch den Reichspräsidenten in die Einflußsphäre des Reichs-
tags einzubeziehen, zeigen vollends die auch noch im III. Abschnitt
zu würdigenden Bestimmungen über die Verantwortlichkeit vor
dem Staatsgerichtshofe für das Deutsche Reich (Art. 59). Hier,
wo es freilich dem Anscheine nach nur um juristische Verant-
wortlichkeit geht, ist der Reichspräsident dem Reichskanzler und
den Reichsministern gleichgestellt, als ob neben dem starken po-
litischen Machtmittel der Absetzung und den anderen Gründen
politischer Abhängigkeit vom Parlamentarismusnoch ein vom Reichs-
tage besonders geltend zu machendes Rechtsmittel Raum fände.
Aber wer die große ausstrahlende Bedeutung der juristischen für
die ganze Entwicklung der politischen Verantwortlichkeit in Er-
innerung behalten hat, wird sich durch diese scharfe Sonderung,
ohne welche sich die Konkurrenz der beiden Staatseinrichtungen
kaum rechtfertigen läßt, in mehr als einem Sinne befremdet
fühlen. Er wird beide Befugnisse schließlich doch auf den gleichen
politischen Nenner bringen und gegeneinander abwägen. Welches
von beiden Mitteln soll nun hier rechtlich und politisch das stär-
kere sein und da, wie man meinen sollte, der Anlaß zu einer An-
klage vor dem Staatsgerichtshofe immer zugleich eine justa causa
für den Absetzungsantrag bilden dürfte, soll nur die Opportunität
über die Auswahl des Kampfmittels entscheiden? Juristisch war
die Zitierung des Reichspräsidenten vor den Staatsgerichtshof in
keiner Weise geboten, weil schon durch die Gegenzeichnung des
Reichskanzlers oder des zuständigen Reichsministers die Verant-
wortung übernommen wird (Art. 50). Es wird vielmehr das Wesen
dieser aus der Gegenzeichnung herzuleitenden Verantwortlichkeit
verkannt, wenn daneben auch noch der in diesem Zuge arg ver-
zeichnete Reichspräsident als solcher zur Verantwortung gezogen
wird. Wenn ungeachtet dessen und obwohl für jeden solchen Fall
mit dem ziemlich gleichen Erfordernis der Zweidrittelmehrheit der
Absetzungsantrag zur Verfügung steht und die sofortige Suspendie-
rung vom Amte ermöglicht, auch noch die Anklagbarkeit des