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Reichspräsidenten vor dem Staatsgerichtshofe vorgesehen wurde,
so kann mit dieser auffälligen Häufung von Drohungen nach po-
litischer Logik nur auf die Mediatisierung des Reichshauptes, auf
seine Unterwerfung unter den Einfluß des Reichstags hingearbeitet
werden. Vielleicht war das nicht gar so schlimm gemeint und nur
eine leidige Folge der noch zu besprechenden monomanischen Vor-
liebe für den Ausbau des Verantwortlichkeitssystems, das unter
dem früheren Regiment zu kurz gekommen war und nun in ein-
seitiger Begeisterung selbst nach Wegfall der wichtigsten Unter-
lagen des obrigkeitlichen Staates mit untauglichen Mitteln hart-
näckig weiterverfolgt wurde, als diese Verantwortlichkeit bereits
als die selbstverständliche Frucht der neuen Staatsform allgegen-
wärtig herangereift war (vgl. unten im III. Abschnitte) und längst
nicht mehr an die Aepfel der Hesperiden erinnerte. In Frank-
reich, das eine Absetzung seines Staatspräsidenten durch Volks-
abstimmung gar nicht kennt, hat man seine Verantwortlichkeit
in besserer Erkenntnis ihrer notwendigerweise rein politischen
Richtung auf Hochverrat beschränkt, wobei die Erwägung maß-
gebend gewesen sein dürfte, daß jede weitere Ausdehnung sich
schon durch die Ministerverantwortlichkeit des parlamentarischen
Systems erübrigt und unnützerweise der beabsichtigten Hoch-
stellung des Republikspräsidenten nahetreten würde. Denn in
der Tat bleibt die vom deutschen Doktrinarismus und Ordnungs-
sinn eingeflüsterte Einbeziehung des Reichspräsidenten in die
Gerichtsbarkeit des Staatsgerichtshofs, wie immer man sie wen-
den mag, für die Reinheit der ursprünglichen Konstruktion und
mittelbar für das Ansehen seiner Stellung ein härterer Schlag
als die Absetzung am jüngsten Tage, bei welcher das gesamte
Volk das letzte Wort hat.
Mit einer wahrhaft herrschaftlich autoritären Stellung des
Reichshauptes ist freilich weder das eine noch das andere in Ein-
klang zu bringen. Selbst dann nicht, wenn man die Möglichkeit
gegenseitiger Maßregelung der obersten Freistaatsorgane — und