Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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Verfassungsstaates entsinnt, den wird es nicht Wunder nehmen, 
daß zu einer Zeit, da die demokratische Empfindung sieh schon 
gegen den bloßen Ausdruck wendet und beispielsweise in der 
deutsch-österreichischen Republik vom verpönten „Minister“ ab- 
rückt, um „Volksbeauftragte* zu „Staatssekretären“ zu bestellen, 
die deutsche Reichsverfassung — mit der vollsten Genugtuung 
des endlich erlösten Unitarismus — auf der ganzen Linie rings 
um den Reichskanzler herum lauter „Reichsminister“ erstehen läßt 
(Art. 52). 
Auf welcher Seite, in welchem Ausdruck die richtigere sprach- 
liche Empfindung, die treffendere politische Wertung zur Geltung 
kommt, ergibt in der Tat die Verankerung des Ministeramtes in 
der Frühzeit des Verfassungsstaates als eine verzweifelte, keinen 
Augenblick und nach keiner Seite lebenswahre Aussöhnung zwi- 
schen den Grundlagen des Obrigkeitsstaates und den Anforderun- 
gen des Volksstaats®®. 
Mit dem Wegfall der Obrigkeit war eben das Wesentliche 
die eigentümliche janusköpfige Orientierung des Ministeramtes und 
damit auch der wichtigste Grund dahin, das Regierungsorgan, das 
den einen Arm inzwischen frei bekommen hatte, in seiner omiI- 
nösen; wenigstens zuletzt an eine beiderseitige Knebelung und 
Lähmung gemahnende Benennung festzuhalten. Diese Benennung 
war aber nun einmal zum Feldgeschrei des Unitarismus und Par- 
lamentarismus geworden und bestimmte die Reichsverfassung, un- 
entwegt die freigewordene Bahn zu verfolgen, welche obendrein 
durch die Figur des möglichst herrschaftlich angelegten Reichs- 
präsidenten gewiesen war, als des Nachfolgers und Erben des 
deutschen Kaisers, dem die Verfassungsreform vom 28. Oktober 
1918 eine ganz ähnlich zugestutzte Stellung zugedacht hatte. Mit dem 
nunmehrigen republikanischen Reichspräsidenten, der im großen 
und ganzen die Stelle einnahm®!, wurde nicht bloß der äußere Appa- 
3° Vgl. WITTMAYER, zuletzt Zeitschrift für öffentl. Recht a. a. O. 8. 80. 
sı Auf einzelne Abweichungen kommt es hier nicht an, Vgl. seither 
28*
	        
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