Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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deutsch-österreichischen Kanzler zum Aergernis, das erst mit dem 
Rückritt des Gesamtkabinetts behoben werden konnte. Wahl der 
Regierung durch das Parlament, zumal im Kleinstaate, tut besser 
daran, von einer Erstministerschaft abzusehen, wie u. a. der schon 
erwähnte Verfassungsentwurf für Sachsen-Weimar-Eisenach (88 31 
und 32) in der Begründung des Berichterstatters Rosenthal. Durch 
den im Reiche als Großstaat vorgezogenen möglichsten Anschluß an 
das überlieferte Erstministersystem, dashier im engeren Zusammen- 
hange und nur für dieses Teilgebiet, also isoliert betrachtet, eine 
gewisse einseitige Folgerichtigkeit für sich hat, vermindert sich in 
der deutschen Reichsverfassung die Schwierigkeit, insofern sie 
überhaupt durch äußere Regelung der Bestellung und Unterord- 
nung wirksam bekämpft werden kann. 
Doch sind alle denkbaren Vorteile einer solchen Anknüpfung 
an früher Gewesenes schwer genug mit den Nachteilen erkauft, 
welche die Uebernahme einer veralteten Einrichtung mit allem Zu- 
behör zur unvermeidlichen Folge haben mußte. Es wurde damit 
etwas Totes, Unlebendiges, Störendes übernommen, das von der 
politischen Erfahrung zum Teile überholt wurde, an der politischen 
Wirkliehkeit vorbeigeht und sie kaum mehr bestimmen dürfte, ja 
sogar bei pedantischer Ausführung die Widersprüche mehrt. Wurde 
doch jetzt auch manches hinzugefügt, was, durch das Wesen der 
Ministerschaft kaum gefordert, früher aber, wenn auch irrtümlich 
als Vervollkommnung der verkümmerten Reichsleitung gewünscht, 
jetzt dagegen, nach Schaffung einer einheitlichen Reichsregierung, 
nicht nur entbehrlich, sondern mit dem ganzen Gedanken einer 
politischen Regierung schlecht vereinbar geworden war. 
Daß für die Reichsregierung unter hausväterlicher Vorsorge 
für eine gute Geschäftsordnung (Art. 55) das Kollegialsystem 
festgesetzt wurde, das man der früheren Reichsleitung so lange 
vergeblich gewünscht hatte, um sie damit auch äußerlich — wie 
wenn es auf derlei ankäme — als Reichsministerium zu konsti- 
tuieren, wäre noch nicht das Schlimmste. Die Denkschrift der
	        
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