Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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deutet, der Repräsentation selbst ans Leben will oder ein Gegen- 
gewicht zu bilden wünscht, wenn er auf neuen, nicht am Ende 
alten berufsständischen Grundlagen ndch unerprobten Näherungs- 
werten einer unmittelbareren Demokratie zustrebt*!. 
Doch ragt der nämliche Reichswirtschaftsrat über das Wesen 
einer bloßen Kammer, das er im Grunde nach seinem revolutio- 
nären Ursprunge verneint, als zersetzendes Element, das er nun 
einmal ist, in anderen wichtigen Punkten hinaus. Ueberall steht 
er dem Hergebrachten im Weg, wie ein trojanisches Pferd, das 
bei seiner Einstellung in die fremde, ungewohnte, widerstrebende 
Umgebung gleich ein gutes Stück Stadtmauer mitnimmt. Unbe- 
kannten Inhalts und geheimnisvoll wie diese berühmteste Erfin- 
dung des altgriechischen Eulenspiegel, gefahrenschwanger nicht 
bloß für die alte Einrichtung der Gesetzgebung, sondern auch für 
die Regierung, der er bloß das äußere Gepränge läßt, aber das 
Konzept verdirbt, zerstört er noch vom notleidenden Prinzip der 
Gewaltentrennung einen guten Teil von dem, was das parlamen- 
tarısche System erübrigt. Der Art. 165 ist und bleibt nun ein- 
mal der umfassendste bisher kodifizierte Versuch, das Rätesystem 
zu zähmen und durch Zuweisung wirtschaftlicher Autgaben von 
größter Tragweite unter Einbeziehung „aller wichtigen Berufs- 
gruppen“ verfassungsfähig zu machen, mit verbürgter Einwirkung 
auf die „gesamte wirtschaftliche Entwicklung der produktiven 
Kräfte“. Wollte man aber den neuen Wein in die alten Schläuche 
füllen, die neuentfesselten genossenschaftlichen oder gesellschaft- 
lichen Elementarkräfte der überlieferten Staatlichkeit gewinnen 
und halbwegs in’die vorgefundenen staatsrechtlichen Schablonen 
überleiten, so war eine solche Verknüpfung und Verschmelzung 
4 Vgl. z. B. KıeLı£n, Der Staat als Lebensform 1917 S. 193; ande- 
res Schrifttum bei FELIX WELTSCH, Organische Demokratie. 
Eine rechtsphilosophische Studie über das Repräsentativsystem und das 
parlamentarische Wahlrecht S. 41—61; mit oder ohne ein solches Schlag- 
wort dürfte übrigens eine Flut weiterer Schriften im Anzuge sein. Vgl. 
u. a. A. SCHRECKER, Für ein Ständehaus, 1919.
	        
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