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Wörtchen „auch“ im zweiten Satze dieses Paragraphen einen guten
Sinn, da der vorangehende erste Satz eine verfassungsmäßige Delega-
tion zum Erlasse von Rechtsverordnungen für den Großherzog enthielt,
eine Befugnis des Landesherrn, die sich schon aus seiner Stellung
als Träger der Staatsgewalt ergab, soweit die Verfassung ihn
darin nicht ausdrücklich beschränkte!1®. Die Stellung des badi-
schen Staatsministeriums ist aber eine prinzipiell andere, es ist
nicht Träger der Staatsgewalt. Nach seiner Stellung in der Ver-
fassung könnte ihm — wie in der württembergischen Verfassung
— das Recht zum Erlasse von Rechtsverordnungen nur auf Grund
spezieller Delegation durch den Landtag zustehen, zumal nach
dem bisher Ausgeführten die Stellung des badischen Staatsmini-
steriums ja noch eine weit abhängigere ist, wie die des württem-
bergischen. Man muß also aus allgemeinen Erwägungen heraus,
vor allem aus der Stellung des badischen Staatsministeriums gegen-
über dem Landtage schließen, daß ein Uebergang des allgemeinen
Verordnungsrechts des Großherzogs auf das Staatsministerium in
der neuen Verfassung ausgeschlossen ist. Das Wörtchen „auch“
im zweiten Absatz des $ 56 ist dann nicht nur unnötig, sondern
direkt irreführend und erklärt sich nur aus der schlechten Gesetzes-
fassung des Landtags gehörige, aber durch das Staatswohl dringend ge-
botene Verordnungen, deren Zweck durch jede Verzögerung vereitelt würde,
einschließlich der vorübergehenden Aufhebung verfassungsmäßiger Rechte
(Notgesetze). Diese sind aber dem Landtag bei seinem nächsten Zusammen-
tritt zur Genehmigung sofort vorzulegen; ihre Geltung erlischt, wenn die
Genehmigung vom Landtag versagt wird, oder ein Beschluß des Landtags
bis zum Schluß der Tagung nicht zustande kommt.“
8 66: Der Großherzog bestätigt und promulgiert die Gesetze, erläßt
die zu deren Vollzug und Handhabung erforderlichen — die aus dem Auf-
sichts- und Verwaltungsrecht abfließenden — und alle für die Sicherheit
des Staats nötigen Verfügungen, Reglements und allgemeinen Verordnungen.
Er erläßt auch solche, ihrer Natur nach zwar zur ständischen Beratung
geeignete, aber durch das Staatswohl dringend gebotene Verordnungen,
deren vorübergehender Zweck durch jede Verzögerung vereitelt würde.
18 Vgl. Wauz, Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden, 1909, S. 213.
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