— 469 —
sondern auch nach Erlaß der neuen Reichsverfassung in größtem
Umfange Gebrauch gemacht worden, und zwar dureh „gesetz-
liche Maßnahmen‘, die zum Teil sehr starke Eingriffe in das
Wirtschafts- und Rechtsleben bedeuten!®. Die Frage, ob das Ge-
setz vom 17. April 1919 mit der neuen Reichsverfassung in Ein-
klang zu bringen ist, oder ob ihm diese „entgegensteht“, ist also
von größter Tragweite.
Ueberwiegende Gründe sprechen indes dafür, das Gesetz auch
jetzt noch als anwendbar zu betrachten. Denn in Wirklichkeit
will das Gesetz, seiner Ueberschrift zum Trotze, gar keine be-
sonderen Normen für den Weg der Gesetzgebung auf-
stellen. Allerdings scheint dies in der Absicht des Ausschusses,
der dem Gesetze seine endgültige Fassung gegeben hat, gelegen
zu haben. Die Nationalversammlung, sagte der Berichterstatter,
„übertrage“ durch das Gesetz ihre „Mitwirkung an der Gesetz-
gebung“ auf einen besonderen Ausschuß. Es handele sich um
eine „Delegation“, die von der Nationalversammlung für eine be-
grenzte Zeit vorgenommen wurde. Auch der Titel des Gesetzes
ist offenbar mit Rücksicht auf solche Erwägungen im Unter-
schiede zu der vom Regierungsentwurfe vorgeschlagenen Ueber-
14 Nur die Gültigkeit der nach dem Erlasse der Verfassung getroffenen
Anordnungen steht in Frage. Die fortdauernde Gültigkeit der älteren ist
durch RV. Art. 178 und zwar sowohl durch Abs. 2 wie durch Abs. 3 außer
Zweifel gesetzt.
15 Aus der langen Reihe der Verordnungen seien beispielsweise genannt
die VO. betr. Gebühren für Zeugen und Sachverständige, vom 21. August 1919
(RGBl. S. 1473); VO. betr. die Nichtigkeitserklärung von Verträgen durch
das Reichswirtschaftsgericht, vom 18. September 1919 (RGBl. S. 1700); VO.
über die Erhöhung des Holzeinschlags zur Linderung des Mangels an
Nutz- und Brennholz, vom 29. November 1919 (RGBl. S. 1925); VO. über
die Ausfuhr von Kunstwerken, vom 11. Dezember 1919 (RGBl. S. 1961), vor
allem die VO. über Sondergerichte gegen Schleichhandel und Preistreiberei
(Wuchergerichte) vom 27. November 1919 (RGBl. S. 1909). Daß die letzt-
erwähnte Verordnung ungültig ist, weil sie die sachliche Grenze der vom
Gesetze erteilten Ermächtigung weit überschreitet, unterliegt mir allerdings
keinem Zweifel.