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Beschränkt man nun weiterhin den Begriff des Initiativrechts
auf die Fälle, in denen sich der Anspruch des Initianten gegen eines
der Hauptorgane der (esetzgebung richtet, gegen das Organ
oder die Organe, die am Gesetzesbeschlusse beteiligt sind — gegen
einen der „gesetzgebenden Faktoren“, wie man häufig sagt —, so
haben nach der neuen Reichsverfassung nur die Reich B-
regierung und die Mitglieder des Reichstags ein
Initiativrecht. Die Verfassung erklärt denn auch in Art. 68:
„Die Gesetzesvorlagen werden von der Reichsregierung oder aus
der Mitte des Reichstags eingebracht.“ In der Tat: an den
Reichstag, der jetzt — vom Volke abgesehen — allein den endgültigen
Gesetzesbeschluß zu fassen hat, kann ein Gesetzesantrag nur auf
einem der beiden in Art. 68 bezeichneten Wege, aus seiner Mitte
oder von seiten der Reichsregierung, gelangen. Auch wenn der
Anstoß — zur --Gesetzgebung vom Beichsrate oder vom Reichs-
wirtschaftsrate ausgeht oder durch ein Volksbegehren erfolgt, muß
der entsprechende Antrag immer den Weg über die Reichsregierung
machen, um an den Reichstag zu kommen. Darüber läßt die Ver-
fassung keinen Zweifel (Art. 69, Abs. 2; 73, Abs. 3; 165, Abs. 4)%.|
Der Reichstag hat also weder die Pflicht, noch auch nur das Recht.
sich mit einem Gesetzvorschlage zu beschäftigen, der ihm auf
einem andern Wege zugegangen ist, es müßte denn ein solcher
Vorschlag von Mitgliedern des Reichstags aufgegriffen und zu
ihrem Antrage gemacht werden.
Aber freilich, die Reichsregierung ist wiederum verpflichtet,
die ihr zugehenden Vorlagen bestimmter anderer Subjekte an den
Reichstag weiterzuleiten. Es unterliegt daher keinem Bedenken,
** Der dem Art. 165 entsprechende Art. 162 der Verfassung in der
Formulierung des Verfassungsausschusses (Drucks. der Nationalvers. Nr. 391)
gab dem Reichswirtschaftsrate das Recht, gleich der Reichsregierung dem
Reichstage Gesetzentwürfe vorzulegen. Das ist mit "/orbedacht im Plenum
geändert worden. $. Drucks. Nr. 680, Z. 13 und die Reden des Regierungs-
bevollmächtigten PrEuss, Sitzung vom 7. Juli 1919, Sten. B. $. 1351 und
vom 31. Juli 1919, Sten. B. S. 2188. Der Beschluß ebenda S. 2190.