Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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nur die Gesetzesanträge herrschender Parteien Aussicht auf rasche 
Erledigung haben. Der von mehreren hundert Mitgliedern der sozial- 
demokratischen und der Zentrumsfraktion unterzeichnete Antrag 
Löbe-Gröber auf Erlaß eimes Gesetzes über Wochenhilfe und 
Wochenfürsorge (Drucks. Nr. 833) ist nach wenigen Wochen zum 
Gesetze geworden®®. Der nicht minder wichtige Antrag einer 
kleinen Gruppe auf Erlaß eines Gesetzes über die Verlängerung 
von Patenten und Gebrauchsmustern (Drucks. Nr. 926) ist nach 
mehr als sechs Monaten noch nieht über die erste Lesung hinaus- 
gekommen. 
2. Das zweite Organ der Initiative ist die Reichsregie- 
rung (Art. 68). Nicht der Reichspräsident; dem Beispiele, das 
eine Reihe anderer Präsidentschaftsrepubliken, inbesondere die 
französche, hierfür hätte liefern können, ist man absichtlich nicht 
gefolgt. Der Grund ist darin zu suchen, daß man dem Präsidenten 
eine in der Hauptsache repräsentative Stellung zuweisen, und daß 
man Zuständigkeiten „auch äußerlich dahin legen wollte, wo sie 
tatsächlich liegen“®!. Da der Reichspräsident ohne Billigung der 
Reichsregierung eine Gesetzesinitiative ohnehin nicht ausüben könnte, 
zog man es vor, die Initiative von vornherein der Reichsregierung 
in die Hand zu geben. Es steht damit nicht im Widerspruche, 
daß man an andern Stellen des Gesetzgebungsverfahrens den Prä- 
sidenten mit einem nicht unbedeutenden Rechte eigener Ent- 
'schließung ausgestattet hat (Art. 73, Abs. 1; Art. 74, Abs. 3). 
Denn dabei handelt es sich um Fälle eines Konflikts, die der Prä- 
sident unter Umständen auch gegen das am Ruder befindliche 
Ministerium, also unter Herbeiführung eines Kabinettswechsels, er- 
erledigen soll. 
Es ist zweifelhaft, ob unter der „Reichsregierung* im Sinne 
  
  
° RG. vom 26. September 1919 (RGBl. S. 1757). 
si So mit besonderer Beziehung auf das Verordnungsreeht Reichs- 
minister Preuss, Verfassungsausschuß 5. Sitzg.: vom 12. März 1919, S. 2. 
Vgl. damit denselben, 11. Sitzg. vom 20. März 1919, S. 13.
	        
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