— 480 0 —
nur die Gesetzesanträge herrschender Parteien Aussicht auf rasche
Erledigung haben. Der von mehreren hundert Mitgliedern der sozial-
demokratischen und der Zentrumsfraktion unterzeichnete Antrag
Löbe-Gröber auf Erlaß eimes Gesetzes über Wochenhilfe und
Wochenfürsorge (Drucks. Nr. 833) ist nach wenigen Wochen zum
Gesetze geworden®®. Der nicht minder wichtige Antrag einer
kleinen Gruppe auf Erlaß eines Gesetzes über die Verlängerung
von Patenten und Gebrauchsmustern (Drucks. Nr. 926) ist nach
mehr als sechs Monaten noch nieht über die erste Lesung hinaus-
gekommen.
2. Das zweite Organ der Initiative ist die Reichsregie-
rung (Art. 68). Nicht der Reichspräsident; dem Beispiele, das
eine Reihe anderer Präsidentschaftsrepubliken, inbesondere die
französche, hierfür hätte liefern können, ist man absichtlich nicht
gefolgt. Der Grund ist darin zu suchen, daß man dem Präsidenten
eine in der Hauptsache repräsentative Stellung zuweisen, und daß
man Zuständigkeiten „auch äußerlich dahin legen wollte, wo sie
tatsächlich liegen“®!. Da der Reichspräsident ohne Billigung der
Reichsregierung eine Gesetzesinitiative ohnehin nicht ausüben könnte,
zog man es vor, die Initiative von vornherein der Reichsregierung
in die Hand zu geben. Es steht damit nicht im Widerspruche,
daß man an andern Stellen des Gesetzgebungsverfahrens den Prä-
sidenten mit einem nicht unbedeutenden Rechte eigener Ent-
'schließung ausgestattet hat (Art. 73, Abs. 1; Art. 74, Abs. 3).
Denn dabei handelt es sich um Fälle eines Konflikts, die der Prä-
sident unter Umständen auch gegen das am Ruder befindliche
Ministerium, also unter Herbeiführung eines Kabinettswechsels, er-
erledigen soll.
Es ist zweifelhaft, ob unter der „Reichsregierung* im Sinne
° RG. vom 26. September 1919 (RGBl. S. 1757).
si So mit besonderer Beziehung auf das Verordnungsreeht Reichs-
minister Preuss, Verfassungsausschuß 5. Sitzg.: vom 12. März 1919, S. 2.
Vgl. damit denselben, 11. Sitzg. vom 20. März 1919, S. 13.