Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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regierung bedarf der Zustimmung des Reichsrats nicht °®®* 
‚Der Reichsrat ist also schon im Stadium der Initiative weit 
schlechter gestellt als der ehemalige Bundesrat; denn bekannt- 
lich konnten, solange die alte Verfassung bestand, Regierungs- 
entwürfe nur „nach Maßgabe der Beschlüsse des Bundesrats“ 
an den Reichstag gelangen (Art. 16). Immerhin zeigt die 
Klausel des Art. 69, daß die Zustimmung des Reichsrats als 
„politischer Normalfall“ gedacht ist, und jedenfalls zwingt sie 
die Reichsregierung, vor der Einbringung jedes Gesetsentwurfs 
'den Reichsrat um seine Zustimmung anzugehen und dem Reichs- 
tage Mitteilung über die Stellung zu machen, die der Reichsrat 
genommen hat?®. Der Reichstag ist weder verpflichtet, noch be- 
rechtigt, sich mit einem Gesetzesantrage der Reichsregierung zu 
beschäftigen, der nicht nachweislich bereits den Gegenstand einer 
Beschlußfassung des Reichsrats gebildet hat“. Natürlich kann die 
ausschuß und Regierung jeder Teil „seinen Entwurf“ vorlegen dürfe. Aber 
wenn der Staatenausschuß einen Regierungsentwurf ganz oder teilweise 
ohne Gegenvorschläge ablehnte, so gab es keinen Entwurf, den er hätte 
vorlegen können. Ein sachlicher Unterschied zwischen der heutigen und 
der Notverfassung besteht darin, daß diese dem Staatenausschusse ein Recht 
unmittelbarer Initiative gegenüber der Nationalversammlung gab, ein Recht, 
das der Reichsrat nicht besitzt. 
3®* Der Widerspruch zwischen Satz 1 und Satz 2 ist im Verfassungs- 
ausschusse wohl bemerkt worden. Ein Verbesserungsantrag des Abg. 
KATZENSTEIN wurde aber abgelehnt. Protokoll der 38. Sitzg. vom 5. Juni 
1919, S. 36. 
3 Das geschieht auch jedesmal. Der Entwurf wird vorgelegt „mit 
Zustimmung des Reichsrats* oder „nachdem er die Genehmigung des 
Reichsrats gefunden hat.“ 
40 Selbstverständlich hat es der Reichsrat nicht in der Hand, durch 
Verschleppung der Beratung oder durch Verweigerung der Beschlußfassung 
die Einbringung unmöglich zu machen. In solchem Falle läge ebenfalls 
„keine Uebereinstimmung“ der beiden Organe vor, und die Regierung 
könnte den Entwurf unter Mitteilung des Sachverhalts dem Reichstage 
vorlegen. — Auf der andern Seite hat die Regierung nicht das Recht, dem 
Reichsrate für die Durchberatung von Gesetzentwürfen bestimmte Fristen 
zu setzen. Zum mindesten darf sie die Frist nicht so kurz bemessen, daß
	        
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