Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 39 (39)

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Ob ein Gesetzentwurf im Einzelfalle die im Art. 165 bezeichnete 
doppelte Eigenschaft besitzt, darüber wird man sich bei der Un- 
bestimmtheit der Ausdrücke unendlich streiten können. Die Sache 
scheint rechtlich nicht sehr viel auf sich zu haben, weil die frag- 
liche Klausel nur eine „Sollvorschrift*, keine „Mußvorschrift“ 
enthält. Immerhin ist sie doch nicht ohne politische Bedeutung; 
denn die Regierung ist auch für die angemessene und ausreichende 
Anwendung eines bloß instruktionellen Rechtssatzes verantwortlich, 
und es wird im Reichstage nie an Parteien fehlen, die darauf 
achten, daß der Reichswirtschaftsrat nicht umgangen wird. Ueber- 
dies hätte es dieser in der Hand, sich selber Geltung zu verschaf- 
fen, wenn ihn die Regierung bei wichtigen Gesetzentwürfen über- 
gehen wollte; denn er kann einem Regierungsentwurfe einen eigenen 
Entwurf entgegensetzen (s. unten). 
Die Regel des Art. 165 ist nicht nur dann zu beachten, wenn 
ein Gesetzentwurf im ganzen, sondern auch dann, wenn nur ein 
Teil, vielleicht nur ein einziger Artikel eines Entwurfs sozial- oder 
wirtschaftspolitischen Inhalts und von grundlegender Bedeutung 
ist. Allerdings braucht im zweiten Falle nur über den entspre- 
chenden Teil des Gesetzes ein Gutachten des Reichswirtschaftsrats 
herbeigeführt zu werden. Da dieser aber vielfach, wenn nicht 
immer, den Teil gar nicht ausreichend beurteilen kann, ohne das 
Ganze mit in Rechnung zu ziehen, und da es heute wenige Ge- 
setze gibt, die nicht in irgendeiner Hinsicht sozial- oder wirt- 
schaftspolitische Interessen berühren, so kann die Bestimmung 
unter Umständen von großer Tragweite werden. 
3. Das dritte Organ der Initiative ist der Reichsrat. 
Art. 69, Abs. 2 der Verfassung sagt: „Beschließt der Reichsrat 
eine Gesetzesvorlage, welcher die Reichsregierung nicht zustimmt, 
so, hat diese die Vorlage unter Darlegung ihres Standpunkts beim 
Reichstag einzubringen.“ Die Regierung hat also, wie man a for- 
tiori schließen muß — es wäre der Deutlichkeit zugute gekom- 
men, wenn man es ausdrücklich gesagt hätte — erst recht die
	        
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