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in solchem Falle obligatorisch ist. Nun hat aber ein Volks-
begehren nach der ganzen Anlage und nach der geschichtlichen
Entwickelung des Instituts keinen Sinn, wenn nicht dem Volke
schließlich die letzte Entscheidung gegenüber einem Parlaments-
beschlusse zukommt, der dem aus der Mitte des Volkes gestellten
Gesetzesantrage zuwiderläuft. Man wird also annehmen müssen,
daß durch Art. 73, Abs. 4 auch die V olksinitiative in Bezug auf
Finanzgesetze ausgeschlossen wird °°. Auch sprechen die gleichen
Gründe, aus denen man solche Gesetze dem fakultativen Referen-
dum entziehen will — wovon noch zu sprechen ist — durchaus
gegen die Zulässigkeit eines Volksbegehrens. Wollte man anders
entscheiden, so käme man zu dem ungereimten Ergebnisse, daß
es dem Volke verwehrt ist, durch einen Referendumsantrag das
Zustandekommen eines Etats-, Abgabe- oder Besoldungsgesetzes
zu hindern, während ihm der Versuch freistünde, durch Volksbe-
gehren die Wiederabschaffung eines soeben erlassenen Gesetzes
solcher Art herbeizuführen. Schließlich zeigt auch die Entstehungs-
geschichte des Art. 73, daß die hier vorgetragene Ansicht richtig
ist 51,
s° So faßt, wenn ich ihn recht verstehe, GıEsE 8. 219 die Sache auf.
50° Ebenso SAENGER, a. a. O. S. 104.
sl Die Bestimmungen über Referendum und Volksinitiative gehen auf
Anträge zurück, die im Verfassungsausschusse teils von mehrheitssozialistı-
scher, teils von demokratischer Seite gestellt worden sind. Der Antrag
Kert und Gen. (zu Drucks. Nr. 182) behandelte zunächst in vier Artikeln
die einzelnen Fälle der Volksabstimmung. Im vierten Artikel war die
Volksabstimmung über Volksbegehren geregelt; sie sollte in jedem Falle
des Volksbegehrens erforderlich sein, das begehrte Gesetz sollte vor der
Abstimmung nur der „Beratung“ des Reichstags unterliegen. Ein fünfter
Artikel fügte hinzu: „Ueber den Haushaltplan findet keine Volksabstimmung
statt.“ Damit war in ganz klarer Weise auch ein entsprechendes Volks-
begehren für unstatthaft erklärt. — Der Antrag ABLAss u. Gen. (Drucks.
Nr. 169), an den sich der jetzige Art. 73 am nächsten anlehnt, sagte in
Abs. 3: „Eine Volksabstimmung hat ferner stattzufinden, wenn ein Zehntel
der Stimmberechtigten das Begehren nach Vorlegung eines Gesetzentwurfs
stellt. Die Volksabstimmung findet erst statt, wenn der begehrte Gesetzent-